updated on 25.07.2002
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Einladung zur
Crossover Conference
des Antiracist Antisexist Summer Camp Project
17.-20. Januar 2002, Bremen
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Intro:
Wir gehen davon aus, dass saemtliche Macht- und Herrschaftsverhaeltnisse aufs engste miteinander verzahnt sind.
Deshalb machen wir u.a. Nation, Patriarchat, Kapitalismus, Heterosexismus, Antisemitismus und Rassismus in ihren Verschraenkungen zum Thema.
Es geht uns dabei darum, neue Widerstandsperspektiven zu eroeffnen.
Wir wollen uns auf dem Treffen mit Herstellungsprozessen verschiedener Dimensionen von Identitaet (z.B. Geschlecht, Ethnizitaet, Klasse) beschaeftigen. Was haben diese mit Macht, Herrschaft und Widerstand zu tun? Dieser und vielen anderen Fragen wollen wir in workshops nachgehen.
In einigen workshops wird hauptsaechlich geredet, in anderen performt, geuebt...
Ziel des Treffens ist, Leute aus unterschiedlichen politischen Richtungen zusammenzubringen, Schnittstellen zu finden, neue Buendnisse zu schaffen, an Interventionsformen zu arbeiten und damit neue Impulse fuer eine radikale, emanzipatorische, libertaere, linke& politische Praxis zu geben.
Ihr seid herzlich eingeladen !
Antiracist Antisexist Summer Camp Project
Workshops:
Zweigeschlechtlichkeit, sexuelle Gewalt, Militaer und Krieg.
Perspektiven eines antipatriarchalen Antikriegswiderstands.
Mit Samira Fansa, Berlin.
Innere Sicherheit, Ethnisierung und Kriminalisierung.
<P>Rassistische Mobilisierung nach dem 11. September 2001.Mit Hito Steyerl, Berlin.
Das Gestohlene stehlen.
Ein Aktionsworkshop ueber die Wiederaneignung des weiblichen Koerpers.
Mit den Siostry Frankenstein, Warschau
Kinderspiele.
Und raus bist du. Ein Workshop ueber Ausschluesse.
Mit den Siostry Frankenstein, Warschau.
Radical Cheerleading, Pink Silver, Konfrontation - Chancen und Grenzen.
Ein Aktionsworkshop mit den emancypunx, Warschau und N.N., Bremen.
Eine neue Sicht auf Prostitution, Frauenhandel und Gesellschaft.
Mit Ewa Majewska und Joanna Garnier von La Strada, Warschau.
Geschlecht schlaegt Klasse. Oder: Im Bordell sind alle Maenner gleich.
Workshop zu Prostitutionskunden.
Mit Crazy Horse, Bremen.
Postmoderne, Bildungsbuergerlichkeit und Klassenherkunft.
Mit Erich Landrocker, Muenster.
Schwul oder queer oder was?
Fragen aus dem Homoland.
Ein 10 Jahre altes Projekt stellt sich vor.
Differenzen in Sexualitaeten und Maennlichkeiten.
Mit der AG Sexualitaeten und Maennlichkeiten, Berlin.
Was ist normal?
Der Koerper im Diskurs um Behinderung und Normalisierung.
Mit Anja Tervooren, Berlin und Rebecca Maskos, Bremen.
Patriarchat und Antisemitismus - Suchbewegungen.
Mit Tanja Berg, Berlin und Gregor Samsa, Bremen.
Wechselnde Perspektiven.
Debatten um Identitaet und Differenz: Folgen fuer feministisch-antirassistische Handlungsfaehigkeit.
Mit Anette Dietrich, Andrea Nachtigall und Ronja Eberle, Berlin.
Grenzueberschreitungen und kulturelle Mischformen als antirassistischer Widerstand?
Mit Umut Erel, Hamburg.
Postkoloniale Kritik und Queer Politics.
Zu Grenzregimes, Subalternitaet und Widerstand.
Mit Encarnacion Gutierrez Rodriguez, Hamburg.
Reproduktionskonten-Onlinebanking: Sexualitaet, greencard und die Liebe zur Arbeit.
Mit Renate Lorenz, Pauline Boudry und Brigitta Kuster, Berlin.
Unternimm dich selbst.
Gouvernementalitaet sexueller und gender-Dis-/Identifikationen.
Mit Katharina Pühl & Queer N.N., Frankfurt/Main.
Subjektivitaet im Neoliberalismus.
Szenen aus dem Film 'Billy Elliot' als Einstieg zur Diskussion über eine neue Form des Kapitalismus und deren Auswirkungen auf das eigene Leben.
Mit Nancy Wagenknecht, Berlin.
Das strategische Schweigen - GeschlechterVerhaeltnisse der Globalisierung.
Mit Ariane Brenssell, Berlin.
Frauen, Flucht und Migration.
Mit N.N.
Filme:
Once were Warriors.
High Art.
La difference.
The Battle of Tuntenhaus.
No Border No Nation.
Die letzten Männer.
Digo? Soll ich's sagen?
Unsichtbare Hausarbeiterinnen.
Wir sind schon da!
Performing the Border.
Zwitterterrorisiert.
Ausstellung:
"Bilder aus dem Transitberich"
Informationen zum Programm der Eroeffnungsgala und Updates zum Workshop- und Filmprogramm gibt es auf unserer web site www.summercamp.squat.net.
Zeitplan:
Donnerstag 17.1.
Ab 18 Uhr Check-in
20 Uhr Eroeffnungsgala
Freitag 18.1.
10-11 Fruehstueck
11-15 Workshops
15-17 Pause
17-18 Essen
18-22 Workshops
Samstag 19.1.
10-11 Fruehstueck
11-15 Workshops
15-17 Pause
17-18 Essen
18-22 Open Space + Workshops
22- Party
Sonntag 20.1.
10-11 Fruehstueck
11-15 Synthese- und Perspektiv-Workshops
ab 15 Uhr Abreise
Check-in und Infozentrale:
"Paradox", Berhardstrasse 12, 28203 Bremen.
Der Weg dorthin vom Bahnhof aus:
Aus dem Bahhof rausgehen (Hauptausgang) und mit der Straßenbahn (zentraler Straba-Bahnhof ist in Sichtweite) mit Nr.10 Richtung Seebaldsbrück fahren, Station Sielwall (3 Stationen) aussteigen. Die Kreuzung geradeaus überqueren und in die erste Straße rechts (Bernhardstraße) einbiegen. Das Paradox ist gleich das erste Haus auf der rechten Seite.
Der Weg von der Autobahn aus:
Aus allen Richtungen kommend (Hamburg, Hannover, Osnabrück) auf dem Bremer Kreuz die A1 nehmen und Ausfahrt Hemelingen runterfahren. Den Autobahnzubringer ganz durchfahren bis es an einer Ampel nur nach rechts oder links abzubiegen geht. Dort nach links abbiegen und auf dem Osterdeich weiterfahren, das Weserstadion (links) passieren und an der Ampel, wo es links ein Kiosk zu sehen gibt nach rechts abbiegen. Dort Parkplatz suchen und nach dem Paradox in der Bernhardstr. fragen.
Infotelefon ab dem 16. 1. 2002: +49-(0)177-7577615.
Sprachen:
Alle workshops werden zweisprachig, auf Englisch und Deutsch, stattfinden. Uebersetzungen in andere Sprachen versuchen wir zu organisieren.
Kosten:
Gestaffelt nach Einkommen zwischen 10 und 25 Euro. Darin ist der Preis fuer das Essen nicht enthalten, dafuer muesst ihr nochmal ca. 15 Euro einkalkulieren. Die Unterkunft kostet nichts. Wichtig: Schlafsäcke und ISO-Matten bitte selbst mitbringen!
Unsere Postadresse:
summercamp c/o A6-Laden, Adalbertstrasse 6, 10999 Berlin
Unsere e-mail Adresse:
summercamp@squat.net
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Einige Artikel aus dem Conference Reader:
(Um den kompletten Reader als pdf-Datei abzurufen, bitte auf den entsprechenden Button oben klicken.)
> Was ist normal?> Eine neue Sicht auf Prostitution, Frauenhandel und Gesellschaft
> Postmoderne, Bildungsbürgerlichkeit und Klassenherkunft
> Subjektivität/en_Arbeit/en_Alltag (Workshopverbund)
> Wir stellen uns queer: Queer Theory und Kapitalismuskritik
Seit Ende der 80er Jahre wurde in der feministischen Diskussion die Aufmerksamkeit gegenüber kulturellen Differenzen vehement eingefordert. Audre Lorde beschreibt den zur Debatte stehenden Sachverhalt folgendermaßen:
"Es genügte nicht, zusammen Frauen zu sein. Wir waren anders. Es genügte nicht, zusammen lesbische Frauen zu sein. Wir waren anders. Es genügte nicht, zusammen Schwarz zu sein. Wir waren anders. Es genügte nicht, zusammen Schwarze Frauen zu sein. Wir waren anders. Es genügte nicht, zusammen Schwarze lesbische Frauen zu sein. Wir waren anders."
Feministische Praxis und Theorie mußte durch massive Kritik dazu gebracht werden, nicht nur den Ort des Sprechens des Mannes zu kritisieren, sondern ebenso den eigenen Ort des Sprechens und Handelns kritisch zu reflektieren. Dies trieb allerdings in der Anfangszeit der Auseinandersetzung einige Blüten. So fand sich in den Vorworten zu neueren feministischen Herausgaben Anfang der 90er Jahre häufig eine Positionsbestimmung der Autorin, die sich etwa so anhörte: "ich bin weiße, christliche, heterosexuelle Mittelschichtsfrau ..." Nun gibt es nichts, was langweiliger ist als diese Aussage, jedoch nicht weil das Leben einer weißen, heterosexuellen Mittelschichtsfrau, sei sie auch lesbisch oder bisexuell, an sich langweilig sein müsse, sondern weil solch eine Prämisse von vornherein jede Auseinandersetzung über die benannten Kategorien stillegt und diese als feststehende Kategorien unhinterfragt voraussetzt. Darüber hinaus schlägt das Geständnis der eigenen Identität zwischen den Zeilen einen Tauschhandel vor, den die lesende oder zuhörende Person fast gezwungen wird einzugehen, und der folgendermaßen umschrieben werden kann: "Ich beschäftige mich nur mit meinem Eigenen und versuche, alles, was anders ist, nicht zu berühren und die Grenzen zwischen Eigenem und Anderem nicht zu überschreiten. Als Belohnung dafür greifst Du den Inhalt meiner Aussagen nicht an." Trinh T. Minh-ha, Theoretikerin und Filmemacherin, die in den USA lebt, spricht bei diesem Phänomen von einer "Politik der getrennten Entwicklung", ein Begriff, den sie dem Sprachgebrauch des Apartheid-Regimes in Südafrika entlehnt. Sie begründet ihre Begriffswahl damit, daß der moderne Kolonialismus nicht mehr darauf aus sei, die indigenen Kulturen zu zerstören, sondern allein darauf achte, daß die Grenzen zwischen verschiedenen Gruppen und Kulturen gewahrt würden. Vorausgegangen war der Politik der getrennten Entwicklung eine Geschichte, die sich beständig mit dem Anderen beschäftigte, jedoch nicht mit der Absicht, dessen Andersheit zu erhalten, sondern, wie der klassische Kolonialismus es tat, um sie zu zerstören. Emmanuel Lévinas beschreibt den Beginn der Geschichte des Abendlandes folgendermaßen:
"Die abendländische Philosophie fällt mit der Enthüllung des Anderen zusammen; dabei verliert das Andere,..., seine Andersheit. Von ihrem Beginn an ist die Philosophie vom Entsetzen vor dem Anderen, das Anderes bleibt, ergriffen, von einer unüberwindlichen Allergie."
Das Projekt der westlichen Philosophie ist laut Lévinas besessen vom Anderen, aber nur, um dessen Andersheit zu tilgen. Dieses bedeutet auf das sprechende Ich bezogen, daß das Andere in eine Identität mit dem eigenen Ich überführt wird und jene Anteile, die nicht in das eigene Selbst zu integrieren sind, übergangen werden. Damit wird die Erkenntnis über das Eigene auf Andere übertragen und die unaufhebbare Differenz zwischen Eigenem und Anderen nicht in Rechnung gestellt. Zugrunde liegt diesem Vorgehen die Auffassung, das Verhältnis zwischen dem Anderen und dem Selben könne durch Akte der Vorstellung, der Einfühlung und der Identifizierung in eine spiegelbildliche Gegenseitigkeit überführt werden. Genau das aber bestreitet Lévinas und führt an, daß die tatsächliche Begegnung mit dem Anderen, die Möglichkeit des vollkommenen Verstehens in Frage stellt: "Die Beziehung zum Anderen stellt mich in Frage... "
Mittlerweile kommt keine seriöse feministische Diskussion mehr ohne Hinweis auf Differenzen zwischen Frauen aus. Der Hinweis auf die Bedeutung gesellschaftlicher und diskursiver Scheidelinien, auf Geschlecht, Rasse, Klasse, sexuelle Orientierung bricht aber in den meisten Fällen abrupt ab. Diese vier Differenzen sind inzwischen in die Diskussion eingeführt, wohingegen nur in einigen wenigen Veröffentlichungen Kriterien auftauchen, die sich um den Körper herum gruppieren und Differenzen wie Gesundheit , Behinderung und Alter ansprechen. Obwohl Frauen mit Behinderungen schon seit Anfang der 80er Jahre eine Diskussion zu dem Thema eingefordert haben, sind diese Kriterien in den feministischen Diskussionen noch längst nicht berücksichtigt und die Wirkung der zahlreichen Beiträge von Frauen mit Behinderungen und der von Frauen, die sich professionell mit diesem Thema beschäftigen, reicht nur wenig über die Ränder eines Fachdiskurses hinaus. Auch von Seiten eines Diskurses, der sich explizit dem Thema verschiedener Differenzen und deren Verbindung untereinander widmet, sind Gedanken zu Krankheit, Alter und Behinderung nicht einbezogen worden. Eine Ausnahme bilden die Überlegungen zur Dominanzkultur von Birgit Rommelspacher, in denen Behindertenfeindlichkeit konsequent mitreflektiert wird.
Mit Emmanuel Lévinas möchte ich an dieser Stelle nur einen der möglichen Gründe für diese andauernde Ignoranz andeuten. Wie ich gezeigt habe, kritisiert Lévinas die Philosophie des Abendlandes, da sie eine Logik des Selben privilegiere. Auf der intersubjektiven Ebene "äußert sich diese Logik in einem Akt der Identifikation: das, der oder die Andere wird nur wahrgenommen, um in eine Identität mit dem eigenen Ich überführt zu werden. Da die eigene Identität als ganzheitlich und geschlossen begriffen wird, wird all das, was nicht in diese Ganzheit zu integrieren ist, zur Bedrohung des eigenen Ichs. Subjektivitäten, die sich von der eigenen Subjektauffassung unterscheiden - und Menschen mit Behinderungen werden hier augenscheinlich dazu gezählt - stören diese Logik des Selben. Eine Praxis, die nach der Logik des Selben handelt, sei es eine politische, pädagogische oder ästhetische, bleibt stets bezogen auf das Eigene und bekommt jenes, was anders ist, nicht in den Blick. Die Vorsicht, nicht über Andere zu sprechen, also Grenzen zu wahren und nicht anzutasten und die Andersheit unbesehen zu akzeptieren, werte ich als einen der Mechanismen der Logik des Selben, die sich als Schutzfunktion des eigenen geschlossenen Selbsts erweist und keineswegs als eine Lösung der Frage, ob und wenn wie über andere gesprochen werden kann.
Aufgrund der fehlenden Auseinandersetzung stehen keine theoretischen Werkzeuge für eine Diskussion, die Behinderung, Krankheit und Alter einzubeziehen vermag, bereit. So ist z.B. das eben erwähnte Kriterium "Gesundheit" eines, welches häufig auf Behinderungen angewandt wird, obwohl die meisten Behinderungen mit Krankheit nichts zu tun haben. Überhaupt ist Behinderung ein Begriff, der nur ein Defizit zu einem Zustand, der als normal gesetzt wird, benennt. Eine entsprechende Kategorie, die Behinderung und Nichtbehinderung umfaßt, so wie Männlichkeit und Weiblichkeit in der Kategorie "Geschlecht" aufgehoben sind, existiert nicht.
Innerhalb eines Differenzdiskurses, der die Aufmerksamkeit für Differenzen einfordern will, wurden also und werden weiterhin Ausschließungen produziert und Kategorien bislang nicht berücksichtigt. Ich möchte an dieser Stelle betonen, daß die Aufzählung verschiedener Differenzen bzw. Identitätskategorien nicht die Antwort auf die Frage sein kann, wie die Andersheit des Anderen angemessen begriffen werden könne. Im Gegenteil suggeriert eine solche Aufzählung die Illusion, das Eigene bzw. die Anderen vollständig erfassen und damit unter Kontrolle bringen zu können. Judith Butler, Philosophin aus den USA, hält gerade diese Unmöglichkeit, ein Subjekt vollständig zu umfassen, für einen produktiven politischen Ansatzpunkt:
Auch die Theorien feministischer Identität, die eine Reihe von Prädikaten wie Farbe, Sexualität, Ethnie, Klasse und Gesundheit ausarbeiten, setzen ein verlegenes "usw." an das Ende ihrer Liste. Durch die horizontale Aufzählung der Adjektive bemühen sich diese Positionen, ein situiertes Subjekt zu umfassen; doch gelingt es ihnen niemals, vollständig zu sein. Dieses Scheitern ist aber "äußerst lehrreich, denn es stellt sich die Frage, welcher politische Impetus aus dem "usw." abzuleiten ist (...) Tatsächlich ist es ebenso ein Zeichen für Erschöpfung, wie ein Zeichen für den unbegrenzbaren Zeichenprozeß selbst. Dieses "usw." ist das supplément, der Überschuß, der zwangsläufig jeden Versuch, die Identität ein für allemal zu setzen, begleitet.
Butler deutet das Scheitern der genauen Bezeichnung der Kategorie "Frau" in zwei Richtungen. Einerseits verweist es auf die Grenzen des Identitätsmodells, das niemals ein Subjekt vollständig zu umfassen vermag. Eine Bedeutungszuschreibung muß laut Butler immer als Prozeß verstanden werden, der nichts Wesenhaftes bezeichnet, sondern vielmehr eine Vielzahl von Möglichkeiten des Subjektseins zur Verfügung stellt, die nicht alle zu benennen sind. Andererseits - und Butler begreift das Scheitern des Bezeichnungsprozesses positiv - verweist der Einspruch der Subjektpositionen, die ausgeschlossen wurden, auf die fehlende und damit notwendige Richtung des Vorgehens in Forschung und Politik.
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Im Vergleich zu anderen Bereichen scheint Prostitution ein Sektor zu sein, dem nur sehr wenig Aufmerksamkeit zuteil wird. Wir finden es sehr bezeichnend, dass die Analyse von Gefängnissen, pathologischen Anstalten und dem Militär heute als wichtige Faktoren der sozialen Kritik angesehen werden, während Sex - Sexarbeit und Frauenhandel - nach wie vor hinter einem aus Ignoranz bestehenden Vorhang verschwinden. Dieser Zustand muss geändert werden, da dies für uns der einzige Weg ist, eine Transformation der sozialen Theorie, die von einer männlichen Gesellschaft ausgeht (welche nicht existiert!) umzusetzen, zugunsten einer Theorie, die sich eher mit den realen Verhältnissen auseinandersetzt. Für die Problematik der Sexarbeit sind die Geschlechterverhältnisse der zentrale Ansatzpunkt, und wir denken, dass wir auf die Gesellschaft aus der Perspektive der Sexarbeit schauen sollten, anstatt Prostitution nur als einzelnes Thema zu betrachten.
Im ersten Teil unseres Workshops geht es um eine eher theoretisch angelegte Einführung in die Eigenschaften der Verbindung zwischen Prostitution und Gesellschaft. Im Vordergrund stehen dabei die Beziehungen zwischen Prostitution und:
· Etwas, dass als "Frauenwelt" bezeichnet werden könnte;
· Individuellen Männern, Kunden und besonders Repräsentaten offizieller Institutionen;
· Der Gesellschaft als Ganzes;
· Den kulturellen Faktoren, inklusive der Kirche (dazu ist es wichtig zu wissen, dass in Polen die Kirche ebenfalls als Institution angesehen werden kann)
. Wir wollen gerne die theoretische Perspektive diskutieren sowie die Unterschiede der "Prostitutionssituationen" in Polen und Deutschland, da uns darin Differenzen aufgefallen sind.
Der zweite Teil des Workshops soll sich mit Frauenhandel beschäftigen. Dabei möchten wir gerne auf interaktives Material der polnischen Organisation "La Strada" zurückgreifen, falls das möglich ist. Wir werden:
· Eine Definition des Frauenhandels präsentieren;
· Die Arbeit und Methoden einiger Organisationen darstellen, die sich gegen Frauenhandel engagieren;
· Auf die ökonomischen, sozialen und psychologischen Faktoren eingehen, die den Handel überhaupt ermöglichen;
· Die besonderen Elemente der polnischen Situation aufzeigen;
· Über die "Opferwerdung" reden.
Da der zweite Teil vorwiegend interaktiv ausgerichtet ist (es soll eher Gruppenarbeit stattfinden als eine durchgängige Diskussion, zusätzlich wird das bereits genannte Material präsentiert), wären wir über eine TeilnehmerInnenzahl, die 30 nicht überschreitet, sehr glücklich. Im ersten Teil können soviele Leute teilnehmen, wie in den entsprechenden Raum hineinpassen, da es sich hierbei nur um einen unglaublich langweiligen Vortrag und eine Diskussion handelt ;-). Wir werden über Prostitution im Allgemeinen sprechen sowie die spezielle Situation in Polen, da wir davon überzeugt sind, dass sich soziale Probleme nicht bearbeiten lassen, wenn wir nicht ins Detail gehen und die Besonderheiten von Kultur, Gesellschaft und Geschichte miteinbeziehen. Von da aus kommen wir dann zu einer Kritik am Staat und den jeweiligen Institutionen.
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Bescheidenheit ist der zentrale Begriff, wenn es gilt, die Klassenproblematik anzusprechen. Keine falsche Bescheidenheit, sondern richtige.
Keine falsche Bescheidenheit: seit Jahren wird ein massiver Klassenkampf von oben geführt, ohne dass dem großartig etwas entgegengesetzt wird. 2001 alleine sind in der BRD drei Berichte erschienen, deren Resultate erschrecken: der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Regierung, die 16. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes und die 1. PISA-Studie. Arme werden ärmer, Reiche werden reicher und die Auslese nach sozialer Herkunft ist inzwischen in Deutschland so stark wie kaum in einem anderen Land. Wo bleibt der Widerstand von unten? Richtige Bescheidenheit: die letzten 150 Jahre waren geprägt durch die Dominanz der Klasse als Hauptwiderspruch. Andere Unterdrückungsformen wurden zu wenig wahrgenommen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Begriff Klasse anrüchig und antiquiert wirkt. Wichtig ist daher, dass mit einem Klassenbegriff umgegangen wird, der sich als eine von vielen Unterdrückungsformen versteht, mit denen er verwoben ist. Hier hat er allerdings seinen Platz und sollte sich nicht falsch bescheiden.
In der Vorbereitung zur crossover-conference zeigte sich, dass der Begriff "Klasse" umstritten ist. Klassen gibt es dadurch, dass sie konstruiert werden. Ich bestehe nicht auf den Begriff Klasse. Wenn ich von Klasse rede, dann will ich darauf hinaus, dass es eine Gruppe mit einer spezifischen (sich wandelnden) Existenzweise in dieser Gesellschaft gibt, der mitsamt ihren Kindern massiv Zugänge zu Reichtum, Bildung und Kultur von anderen Gruppen verweigert wird. Deren Existenzweise abgewertet wird.
Die Postmoderne Theorie wird dieser Existenzweise ebenfalls nicht gerecht mit ihrer Rede vom "Spiel", in der Berufung auf Nietzsche, in der Ignoranz gegenüber Gewalt und der Aufwertung von Sprache für soziale Konstruktionen, im vermeintlichen Perspektivismus und Relativismus.
Dethematisierung von Gewalt - zum Beispiel Judith Butler
Die postmoderne Philosophie im weitesten Sinne benutzt zentral den Begriff des Spiels um Machtverhältnisse zu beschreiben. Hier wird übersehen, was sonst ein zentraler Punkt dieser Philosophie ist: dass der Begriff "Spiel" wie viele andere Begriffe "binär kodiert" ist, d.h. er bezeichnet nur die eine Seite eines Gegensatzpaares, und dass das "andere" des Spiels nicht gesehen wird. Der Gegenbegriff zum Spiel ist Ernst. Wenn vom Spiel die Rede ist, wird Ernst mitgemeint. Der Ernst kommt aber in der postmodernen Philosophie nicht vor. Er hat eine Randexistenz. Frigga Haug hat Anfang der 70er Jahre den RollentheoretikerInnen vorgeworfen, dass sie Bestandteil einer bürgerlichen Ideologie seien, die sich selbst nicht ernst nimmt. Ähnliches ließe sich heute von den postmodernen TheoretikerInnen sagen. Der Ernst in der Form schrecklicher Gewalt wird tabuisiert. Ein Beispiel unter vielen ist Judith Butlers neues Buch "Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung". Sie schafft es 200 Seiten über Macht und Unterwerfung zu schreiben, ohne Gewalt zu thematisieren. Anhand von drei Beispielen in diesem Buch zeigt sich die Tabuisierung von Gewalt. Zunächst geht sie auf Hegels bekanntes Kapitel "Herrschaft und Knechtschaft" in der "Phänomenologie des Geistes" ein und bemängelt, dass dieses Kapitel nicht mit dem nachfolgenden Kapitel über das "unglückliche Bewusstsein" als ein Zusammenhang gesehen wird. Judith Butler begeht hier den gleichen Fehler wie viele Hegel-LeserInnen: zu überlesen, dass die Todesdrohung das Selbstbewusstsein schafft. Dann geht sie auf Freuds "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" ein. Hier müsste sie eigentlich wissen, dass dies Freuds zweite Sexualtheorie ist. Zunächst ging Freud davon aus, dass sehr viele Kinder sexualisierte Gewalt erlebt haben. Um als Psychologe anerkannt zu werden, musste er diese Position aufgeben. Die Grundlage der Sexualtheorie die er in den drei Abhandlungen entwickelte, basiert darauf, dass die Kinder sich die sexualisierte Gewalt nur eingebildet haben. Als drittes geht sie auf Althusser ein, um seinen Begriff der "Anrufung" zu untersuchen:
"Betrachten wir den Althusserschen Begriff der Interpellation oder Anrufung, wonach ein Subjekt durch einen Ruf, eine Anrede, eine Benennung konstituiert wird. Althusser schient im großen ganzen davon auszugehen, dass diese soziale Forderung - man könnte sie einen symbolischen Befehl nennen - tatsächlich jene Art von Subjekte hervorbringt, die sie benennt. Er gibt das Beispiel vom Polizisten, der auf der Straße ruft: "He, Sie da!", und schließt, dass dieser Ruf wesentlich denjenigen konstituiert, an den er gerichtet ist. Es handelt sich klar um eine Disziplinierungsszene; der Ruf des Polizisten ist der Versuch, jemanden zur Ordnung zu bringen." Butler, Psyche der Macht, S. 91
Sie fragt sich anschließend, wieso auf diesen Ruf gehört wird und die wirklich naheliegendste Antwort zieht sie nicht in Erwägung: dass der Polizist bewaffnet ist (mindestens mit einem Knüppel) und darin ausgebildet ist, seine Waffen zu benutzen und die Anwendung von Gewalt von ihm gesellschaftlich erwartet, mindestens aber gebilligt wird. Bei Foucault brauchte Judith Butler nicht mehr irgendetwas zu ignorieren, dies hat er vor ihr seit Mitte der 70er Jahre selber getan. Anlässlich der letzten vollzogenen Todesstrafe Anfang der 70er in Frankreich, setzte Foucault noch das französische Knastsystem mit einem System der Todesdrohung gleich. Mit "Überwachen und Strafen" jedoch verlegte er Tod und Marter ins Mittelalter. Heutige Knäste benötigen scheinbar zur Disziplinierung keinerlei Todesdrohung oder Folter mehr.
Postmoderne Theorie und Postfordismus
Foucaults Kritik am Ökonomismus linker Theorie entstand in der Zeit, als die vorherrschende Produktions- und Arbeitsweise - der Fordismus - in eine Krise geraten ist. Dies machte unter anderem den Attraktivitätsschub seines Ansatzes aus: seine Theorie schwamm quasi mit dem Strom gesellschaftlicher Entwicklung. Die alten linken Modelle hatten auch deshalb ausgedient, weil die gesellschaftlichen Verhältnisse ausgedient hatten. Allerdings vermischen sich heute foucaultsche Theoriestücke mit der Ideologie der neuen Produktions- und Arbeitsweise und der entsprechenden staatlichen Regulation. Postmoderne Theorie geht einher mit postfordistischen Schließungsprozessen der Bildungsinstitutionen. Zugang zur Bildung haben beinahe nur noch Menschen, die den Tauschwert von Bildung, symbolisches Kapital, mehr schätzen als den Gebrauchswert.
Welche Bedeutung hat für uns Bildung / Theorie, was hat dies mit unseren Herkünften zu tun? Die soziale Herkunft, der klassenspezifische Habitus, bedingt die Theorieproduktion: Studierende der Mittel- und Oberschicht studieren in der Regel eltern-, prüfungs-, karriereorientierter und praxisferner. Auch sie pflegen eine eigentümliche Aufteilung von Ernst und Spiel: Ernst ist das Drängen der Eltern, Ernst ist die anstehende Prüfung, Spiel hingegen ist der Inhalt, die Theorie: "... es gibt keine Wahrheit, außer dass meine Eltern mir nur noch ein Jahr das Studium finanzieren ...". Bildung wird verstanden als Qualifizierung, therapeutische Angebote werden angenommen, um die Widersprüche zwischen Alltagsbedürfnissen und der Karriere zu kitten zugunsten der Karriere. Und mit Foucault ließe sich dies auch noch als progressive Selbsttechnik verkaufen. Foucault ist zuviel Nietzsche - zumindest im Postfordismus.
Sprache und Wirklichkeit fallen nicht zusammen ("Es macht uns ein Geschwätz nicht satt")
In den letzten fünf Jahren hat es in der BRD mehrere Untersuchungen zum Thema Klasse und Geschlecht gegeben. Die Ergebnisse liefen in allen Studien darauf hinaus, dass der Umgang zwischen Männern und Frauen je nach Milieuzugehörigkeit variiert. Dies betrifft vor allem die Wahrnehmung von Geschlechtsdifferenz und Männlichkeit/Weiblichkeit als Praxis. Ganz grob lässt sich sagen, dass in der "Mittelschicht" eine sehr starke Geschlechtertrennung vorhanden ist und auf der sprachlichen, spielerischen Ebene weggeredet wird. Und dass in der "ArbeiterInnenschicht" diese grundsätzliche Trennung nicht so sehr vorhanden ist ("pragmatische Orientierung" / "praktische Solidarität") aber sprachlich/spielerisch dargestellt wird. Dies heißt aber auch, dass politische Strategien wie Queering je nach Klassenzugehörigkeit unterschiedlich erfolgreich sein werden. Während es im bürgerlichen Milieu tatsächlich zu Verwirrungen kommen kann, diese aber vielleicht auf einer sprachlichen Ebene verbleiben, wird Crossdressing im ArbeiterInnenmilieu wahrscheinlich nicht ganz ernst genommen, weil es eben Spiel ist und nicht der Alltagssituation von ArbeiterInnen gerecht wird - es fehlt der Spielraum.
Auch für die linksradikale Szene stellt sich die Frage des Spielraumes. Die Frage, wie ich meinen Lebensunterhalt bestreite, spielt als politische Herausforderung in der linksradikalen Szene - wie ich sie wahrnehme - kaum noch eine Rolle, obwohl das soziale Netz in der BRD massiv abgebaut wurde. Diese Frage wird individualistisch gelöst. In einer Gender- oder Foucault-Gruppe passt die Thematik der Frage "(Wie) bezahle ich meine Miete?" nun mal nicht so gut wie in einer JobberInnen-Ini oder Häuserkampf-Gruppe. In der natürlich andere Fragen nicht passen - nur bringt es nichts das eine Defizit mit dem anderen auszutauschen.
Fazit oder was soll in der Gruppe laufen?
Dieser Text ist eine Anregung mit der das Problemfeld umrissen werden soll. Es geht mir darum, die Klassenfrage innerhalb der Szene zum Thema zu machen, die sich auf der crossover conference trifft. Ich bereite mich inhaltlich und methodisch auf verschiedene Möglichkeiten vor. Wir können z.B. ganz konkret praktisch eine Demo gegen die Elite-Uni in Bremen vorbereiten oder über Bildung im Postfordismus diskutieren oder beides (Gesamtentnietzschung) oder anderes. Um mit allen Ideen konstruktiv umzugehen, die in dem workshop aufeinandertreffen, werde ich auf Methoden aus der Bildungsarbeit zurückgreifen. Auch für Bewegung ist gesorgt...
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Wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir eine Verbindung unserer Workshops versuchen möchten, um politische, persönliche und natürlich thematische Linien und rote Fäden neu zu verwickeln und zu verstricken. In verschiedener Hinsicht beschäftigen uns Fragen nach der Veränderung, Neu-Entstehung und Regulierung von Subjektivitäten unter Bedingungen des postkolonialen, globalisier/t/en/den Neoliberalismus. Wie Geschlecht und Sexualität Teil dieser Veränderungen sind und in neuen Verhältnissen kapitalistischer Weltvergesellschaftung eine ver-que/e/re Rolle spielen können, fragen wir uns unter folgenden Aspekten:
o queer politics: Möglichkeiten, Grenzen und
Anti/Normalisierungsstrategien emanzipatorischer linker Identitätsvorstellungen
o zwischen Arbeit und Tanzen: Subjektivität im
Neoliberalismus
o vom Schweigen zum Sprechen:
GeschlechterVerhältnisse der Globalisierung
o zwischen
Ost und West: Greencard, sexuell arbeiten & Arbeitsmigration
o zwischen Repräsentation und Unsichtbarkeit:
Postkolonialismus, oder: queering the queer
Für unser gemeinsames Konzept haben wir eine Zeitstruktur entwickelt, die sich etwas que/e/r zum geplanten Tagesablauf des cross over-Treffens verhält: Unsere Workshops sind auf jeweils 2 Stunden angelegt, abends ist jeweils Zeit für übergreifende Diskussionen eingeplant.
Zeitplan
Fr., 19.1.02
11.00 - 12.45 h workshop 1
zwischen norm und anti-NORM: praxen im politischen
alltag
/Katharina Pühl/Heike Raab/Trixie
Schwarzer/Karen Wagels/Mica Wirtz/
12.45 - 13.15 h Pause
13.15 - 15.00 h workshop 2
Subjektivität im Neoliberalismus: "Billy Elliott -
I will dance"
/Nancy Nüchtern/Peter Wagenknecht/
18.00 - 20.00 h workshop 3
Das strategische Schweigen - GeschlechterVerhältnisse
der Globalisierung
/Ariane Brenssell/
20.00 - 22.00 h Diskussion des gesamten Tagesprogramms
Sa., 20.1.02
11.00 h - 12.45 h workshop 4
Reproduktionskonten online banking: Heterosexualität,
Greencard & die Liebe zur Arbeit
/Pauline
Boudry/Brigitta Kuster/Renate Lorenz/
12.45 - 13.15 h Pause
13.15 - 15.00 h workshop 5
Queering the queer - Postkoloniale Perspektiven
/Encarnacion Gutiérrez Rodríguez/
18.00 - 20.00 h Abschlussdiskussion des gesamten Workshopverbunds
in diesem workshop wollen wir
die grenzen und ausschliessenden politiken in den "eigenen kreisen"
thematisieren. ausgangspunkt sind unsere erfahrungen im politischen alltag, in
dem antiNORMEN sowohl die räume für die thematisierung von
gender/rassismus/politik schaffen, aber auch ihre grenzen ziehen. diese grenzen
im politischen agieren zeigen sich um, an und in körpern.
für uns heisst "körper" politisieren, sie im rahmen gesellschaftlich hegemonialer diskurse und bilder zu sehen. "macht" zeigt sich hier in selbstverständlichen sehgewohnheiten und verhaltensmustern: über "körper" werden gesellschaftliche dominanzverhältnisse kommuniziert.
female masculinities/ selbstständige "behinderte"/ selbstbewusste migrantInnen/ schwule männer/ brechen hegemoniale bilder und thematisieren so dominanzverhältnisse (auch) in "der linken szene".
politiken des "lookism" wie z.b. aussehen, körpersprache und verhalten führen zu uniformierung, anpassung und reflexhafter "politischer korrektheit". zum einen werden dadurch geschützte räume im sinne von sicherheit /"gleichgesinnte finden"/ geschaffen; zum anderen funktioniert dieser schutz immer über ausschlüsse. geschützte räume sind wichtig, genauso aber die ständige thematisierung sowohl der räume als auch ihrer grenzen - indem sie durchquert (den bilden wird nicht entsprochen), überschritten (kooperationen) und ausgehandelt werden.
an verschiedenen beispielen wollen wir uns mit der
motivation und den auswirkungen von dualismen im politischen handeln (wie z.b.
einer einteilung in "gut/böse") auseinandersetzen und die daraus resultierenden
anti/normalisierungsstrategien in den blick nehmen. das augenmerk soll auf die
grenzen dieser politik gerichtet werden. wir wollen versuchen, ansatzpunkte für
wege aus diesen dilemmata zu finden.
think!
criticize!!! and act!!!!!!!!
"Always be yourself!"/"Sei
immer Du selbst!" - schrieb Billys Muter ihm, ehe sie starb. Ihr Satz ist
Leitmotiv des Films, der zur Zeit eines der letzten grossen Bergarbeiterstreiks
in Britannien spielt. Mit dessen Zerschlagung setzte die Thatcher-Regierung eine
Wende durch: Sie zog Subventionen ab, brach den Gewerkschaften das Genick,
begann eine Umverteilung von unten nach oben und propagierte Verhaltensmuster,
nach denen jede/r sein/ihr Glück für sich allein macht (dabei Männer eher als
Frauen). An einige Szenen-Beispielen werden die ökonomischen und politischen
Umbrüche gezeigt: Merkmale des Kapitalismus in den Industrieländern bis in die
1970er, des Fordismus, sind ebenso erkennbar wie die mit der neuen, neoliberalen
Form verbundenen Veränderungen.
Wie wirken diese Umwälzungen ins Innere der Menschen hinein? Welche Persönlichkeitseigenschaften braucht der Neoliberalismus, bringt er aber auch hervor? Was heisst unter diesen Umständen "sei immer Du selbst"? Dieser Appell ist ja zwiespältig. Individualität, Selbstverwirklichung, Freiheiten erhalten ihren Sinn aus dem Kontext, auf den sie sich beziehen. Die Unverwechselbarkeit eines Ich-Selbst, genannt Subjektivität, das ist eine Möglichkeit des Glücks. So wie Billy Elliott glücklich ist, wenn er tanzt. Aber sie passt auch perfekt in die Welt des Konsums, der entsicherten Arbeitsverhältnisse und der kompletten Entsolidarisierung. Was also tun wir, damit unsere Subjektivität nicht käuflich, sondern kämpferisch ist? Wie begreifen und überwinden wir die im Film sichtbaren alten und neuen Stereotypen von Geschlechtern und Sexualitäten? Wie sollen angesichts der völligen Unterschiedlichkeit von Menschen überhaupt Solidarität und politische Handlungsfähigkeit wieder entstehen?
workshop
3 (siehe auch Text "Das strategische Schweigen")
Patriarchale GeschlechterVerhältnisse in ihren
verschiedenen Ausformungen - Frauenunterwerfung, -ausbeutung, -diskriminierung,
rigider Geschlechterdualismus usw. - sind weder Nebenwirkung noch zufällige
Begleiterscheinung oder auch nur Auswirkungen der Globalisierung. Vielmehr sind
sie eine ihrer zentralen Voraussetzungen. "Der Kapitalismus braucht für seine
Reproduktion ein Hinterland, das nicht nach Kapitalgesetzen reguliert ist",
schrieb Rosa Luxemburg, und eben dies gilt auch für die
kapitalistische/neoliberale Globalisierung: Sie braucht ein Hinterland und das
wird systematisch - strukturell und alltäglich - hergestellt.
Das Schweigen über die Bedeutung der Geschlechterverhältnisse für die Globalisierung ist nicht zufällig, sondern ein wichtiges Moment von Herrschaft. Deshalb bezeichnen Feministinnen die herkömmlichen - auch linken - Globalisierungsdiskurse als "narratives of eviction" (als Erzählungen, die etwas zum Verschwinden bringen), weil damit zentrale Momente der neuen Herrschaftsform des neuen globalen Zivilisationsmodells unsichtbar gemacht werden.
Es soll in dem Workshop darum gehen, dem vermeintlich geschlechtsneutralen Globalisierungsdiskurs und einem verkürzenden patriarchalen Blick auf Globalisierung etwas entgegenzusetzen. Das heisst zum einen: die Produktion patriarchaler Geschlechterverhältnisse als ein Moment von Globalisierung zu fassen. Das heisst zum andern: Globalisierung nicht nur als Frage von abstrakten Prozessen und Strukturveränderungen zu analysieren, sondern sichtbar zu machen, wie sich die auf den ersten Blick abstrakten Prozesse globaler Verflechtung ganz konkret in der Veränderung von Alltagspraxen und Handlungsmöglichkeiten niederschlagen, wie sie Denken, Nahelegungen, Sinngebungen, Selbstverständnisse verändern. Kurz, das heisst: den Alltag und die alltäglichen Erfahrungen als Problematik von Globalisierung sichtbar zu machen. Dies soll an Beispielen zum Zusammenhang zwischen Globalisierung, GeschlechterVerhältnissen und Alltag diskutiert werden. Es soll auch diskutiert werden, ob und wie sich durch einen feministischen und antipatriarchalen Blick Kritikperspektiven erweitern lassen, und ob und wie sich durch einen solchen Blick auf Globalisierung Eingriffs- und Widerstandsstrategien verändern.
workshop
4
Die Greencard bindet Migration an
hochbewertete Arbeit. Das setzt sich als eine verschärfte Hierarchisierung der
Migrationsformen im geplanten Zuwanderungsgesetz der BRD fort.
Erstes Videomaterial zu einem geplanten Dokumentarfilm soll Diskussionsgrundlage dieses workshops sein: Wir haben Gespräche mit GreencardinhaberInnen bulgarischer Herkunft geführt, einen Arbeitsplatz und ein Zuhause dokumentiert, um eine Einschätzung von Lebens- und Arbeitsbedingungen zu erhalten. Neben den formalen Arbeitsbedingungen wollen wir herausfinden, ob und wie die dort Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz mit Ethnisierung konfrontiert werden oder wie sich Geschlecht und Sexualität im Zuhause des Arbeitsplatzes und bei der Arbeit zu Hause darstellen. Eine Frage ist für uns auch, auf welche Weise die der Computerlogik zugeschriebene Universalität - "Geschlecht, sexuelle Orientierung und Herkunft spielen keine Rolle; wichtig ist, dass du gut bist" - in die gesellschaftliche Bedeutung der Computerarbeit hineinspielt und wie sie die gegenwärtigen Vorstellungen von Arbeit überhaupt formt.
Umgekehrt schien es uns wichtig, eine Kritik nicht allein an den Bedingungen bulgarischer ArbeitgsmigrantInnen hier zu entwickeln, sondern die Geschichte der Arbeitsbedingungen und Geschlechterverhältnisse im Sozialismus, die Geschichte des Kalten Krieges und der Veränderungen der 90er Jahre als Teil des deutsch-bulgarischen Verhältnisses umfassender in den Blick zu bekommen. Daher haben wir auch Gespräche mit IT-Spezialistinnen in Bulgarien geführt und die ungewöhnliche Geschichte der bulgarischen Hard- und Softwareproduktion recherchiert.Im Workshop möchten wir diskutieren, ob und wie sich die Arbeitsmigration im Verhältnis zur Anwerbung der 50er bis 70er Jahre verändert hat und wo eine Kritik an ihren Bedingungen ansetzen könnte.
workshop
5
queering the queer: antirassistische
Perspektiven. Anhand von Gedichten Audré Lordes, May Ayims, Crytos' und Gloria
Anzalduas werden wir uns einer antirassitischen Perspektive in queer politics
annähern. Ziel wird sein, unterschiedliche Formen des Sprechens und Tuns zu
thematisieren, die in der herrschenden (Gegen-)Öffentlichkeit nicht auftreten.
Wie können diese Politiken der Repräsentation verändert werden? Welche Beispiele
gibt es dafür? In diesem Zusammenhang werden wir über antirassistische
feministische Gruppen und Netzwerke minoritärer Frauen und Queers wie FeMigras,
ELISA, AGISRA, MAIZ, LEFOE, LESBERADAS und AK Wi(e)dersprache sprechen.
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Ein Beispiel gegen das strategische Ver/Schweigen: Nicht technische Innovation, sondern die Durchsetzung neuer Relevanz- und Dominanzverhältnisse
In dem folgenden Beispiel handelt es sich um ein ganz typisches, ein sozusagen alltägliches und damit auch nicht besonders augenfälliges Beispiel der Globalisierungsdynamik. Es geht um die Übernahme einer lokalen Telefonvermittlung durch einen transnationalen Telefonkonzern. Eine Pressemeldung dazu lautete schlicht: "Der Konzern Bell übernimmt die Midland-Telephon-Operators und führt technische Innovationen durch"
Doch in diesem Beispiel lässt sich einiges mehr sichtbar machen.
Denn hier findet ein Umstrukturierungsprozess von Arbeit entlang der Interessen eines transnationalen Konzerns statt, der neoliberale Interessen (Effizienz, Profit ...) in Alltag und Lebensweise durchsetzt. Hier zeigt sich auch, wie diese faktisch und praktisch handlungsrelevant werden, wie sich so auch nachhaltig die Handlungsmöglichkeiten vor Ort verändern, wie so bestimmte Subjekt/Positionen vorherrschend werde, andere hingegen marginalisiert werden und wie diese mit den Geschlechterverhältnissen korrespondieren.
Die kanadische Journalistin, Heather Menzies hat diesen Prozess der Umstrukturierung einer lokalen Telefonvermittlungsstelle in einer Kleinstadt in Kanada durch einen transnationale Telefonkonzern aufgegriffen und feministisch ausgewertet. In der Telefonvermittlung vor Ort arbeiten hauptsächlich und langjährig Frauen, die ihre Arbeit in einer Weise organisiert haben, dass auch der "lokale Gebrauchswertstandpunkt", d.h. die lokalen Anforderungen in ihr Berücksichtigung findet. D.h. sie orientieren sich in ihrer Arbeit auch an für sie wesentlichen Fragen: Was ist nützlich fürs Gemeinwesen, welche Informationen und Hilfe brauchen die Menschen vor Ort. Sie haben eine anerkannte Stellung im Ort und übernehmen auch wichtige Gemeinswesenaufgaben. So geben sie zum Beispiel Auskunft über lokale Gegebenheiten, benachrichtigen zum Beispiel Angehörige in Notfällen, helfen auch mal älteren verwirrten Menschen u.v.m. Die Veränderungen, die der transnationale Telefonkonzern vornehmen will, betreffen u.a. die Einführung eines automatisierten System der Anrufweiterleitung. Es zeigt sich, dass sich durch diese Veränderungen die Handlungsmöglichkeiten für die Telefonvermittlerinnen entscheidend verändern. Der Vorgang lässt sich als eine Standpunktverschiebung begreifen, durch die alles aus der Arbeit ausgeschlossen wird, was nicht der unmittelbaren Tätigkeit der Telefonvermittlung zuzuordnen ist und somit vom Standpunkt des Konzerns - dem Effiziens- und Profitstandpunkt - unwesentlich oder gar hinderlich ist.
Mit den geplanten Neuerungen verändert sich in diesem Fall die Arbeitsorganisation in einer Weise, dass die gewohnten und vom lokalen Standpunkt aus verrichteten Handlungen der Frauen verunmöglicht werden. Alles das, was die Frauen als zentralen und sinnvollen Aspekt ihrer Arbeit betrachteten wurde kurzerhand unmöglich. Die Eingriffs- und Gestaltungsmöglichkeiten nach dem Gebrauchswertaspekt fielen durch die Einführung der automatischen Telefonvermittlung weg: "the system would cut them off from the local telephone users, and the local community would be cut off from them" (Menzies 1996). Dieser 'cut off' von den lokalen Telefonbenutzern, erschien vom Standpunkt der lokalen Anforderungen kaum sinnvoll. Sinnvoll wird er hingegegen vom Standpunkt der Effizienz, der Einsparung und Beschleunigung und der zentralen Steuer- und Kontrollmöglichkeiten des transnationalen Telefonkonzerns.
In diesem Beispiel steht der Standpunkt des Lokalen gegen den Standpunkt eines transnationalen Konzerns. Der Standpunkt des Lokalen fällt hier zudem - nicht ganz zufällig - zusammen mit dem Frauenstandpunkt. Vom Standpunkt der Frauen, die die unterschiedlichen Anforderungen in 'ihrem Gemeinwesen' kannten, weil sie sich als Frauen in den real vorhandenen Geschlechterverhältnissen faktisch auch dafür zuständig machten, (und weil sie gesellschaftlich nicht aufgehoben bzw. geregelt waren!) war die Möglichkeit im Sinne der lokalen Anforderungen handeln zu können, Teil der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Nicht weil sie das transnationale Kapital bekämpfen wollten, sondern weil sie für diese Seite ihrer Arbeit kämpften, versuchten die Frauen die geplanten Umstrukturierungen zu verhindern.
Welcher Standpunkt sich letztlich durchsetzte, lässt sich unschwer erahnen. Trotz Widerstand und fantasievollem Kampf der Frauen, setzte sich der Konzern mit seinen Umstrukturierungen durch. Damit setzte sich auch eine Logik durch, die die Gebrauchswertseitige Logik der Arbeit und die Verbindung zu den lokalen Anforderungen, nachhaltig ausschloß. Die Durchsetzung technischer Neuerungen vom Standpunkt des transnationalen Konzerns, lässt sich daher auch als Durchsetzung von neuen Relevanzverhältnissen betrachten, in denen sich zum Beispiel das Kräfteverhältnis zwischen Gebrauchswert- und Tauschwertinteressen in der Arbeit, zwischen den Interessen der lokalen Gemeinschaft und des global/transnational agierenden Konzerns nachhaltig verschiebt. Damit sind jedoch die Anforderungen, die vorher vorhanden waren nicht einfach weg, sie sind sozusagen - noch ein Stück weiter - ins 'Hinterland abgedrängt'.
Was lässt sich an diesem Beispiel für die Zusammenhänge von Globalisierung und Geschlechterverhältnisse zeigen?
o Die globale Hegemonie des Neoliberalismus als Durchsetzung von Profitinteressen ergreift auch den Alltag in einer Weise, dass Handlungsmöglichkeiten nachhaltig verändert werden. Damit materialisieren sich Kräfte/Verhältnisse in denen bestimmte Anforderungen schwerer artikulierbar und auch erkannt werden. Etwas, was in der der Regel in herkömmlichen Betrachtunsgweisen als "technische Innovation" geschildert wird oder auch als Durchsetzung technischer Neuerungen vom Standpunkt des transnationalen Konzerns, lässt sich hier als Durchsetzung von neuen Relevanzverhältnissen betrachten, in denen sich zum Beispiel das Kräfteverhältnis zwischen Gebrauchswert- und Tauschwertinteressen, lokalen Interessen einer Gemeinde und Interessen eines global agierenden Konzerns nachhaltig verschiebt.
o Diese Veränderungen bleiben 'uns' nicht äußerlich. Sie erfassen Denk- und Praxisformen und damit die Formen, in denen wir denken und handeln. Damit werden sie Teil unserer Arbeits- und Lebensweise. Sie bestimmen und begrenzen die konkreten Handlungsmöglichkeiten 'vor Ort'.
o Der Kapitalismus braucht für seine Reproduktion ein Hinterland braucht, das nicht nach Kapitalgesetzen geregelt ist (siehe oben) In dieses Hinterland wird alles verbannt, was zwar vom Standpunkt der Verwertungslogik nicht unmittelbar nützlich ist, was aber gleichwohl auch seine Voraussetzung bildet. Vom Standpunkt der hegemonialen transnationalen Konzerne und Akteure wird dieses Hinterland nur dann wichtig, wenn es die Profitlogik stört. Patriarchale Geschlechterverhältnisse - geschlechtsspezifische Arbeitsteilungen, Zuständigkeiten, Frauenunterwerfung und damit verbundenen Geschlechterstereotypen und-bilder - sind eine Form, in denen die ins Hinterland verdrängten Aufgaben geregelt werden; und zwar so, dass sie nicht zum Störfaktor werden für Profit- und Verwertungsinteressen. Hier und so verknüpfen sich patriarchale und kapitalistische Praxis.
o Solange die Geschlechterverhältnisse als strukturelle Arbeits- und Aufgabenteilung fungieren in der vor allem Frauen nach wie vor für die in diesem Hinterland anfallenden Aufgaben zuständig (gemacht) werden, lässt sich der 'Frauenstandpunkt' als Standpunkt der Wahrnehmung von spezifischen Interessen der Reproduktion, des Lokalen usw. fassen. In einem nicht-essentialistischen Sinne - d.h. entlang der real-existierenden Praxen und nicht entlang der empirischen Gruppe Frauen - wird der 'Frauenstandpunkt' somit zu einem wichtigen Kritikstandpunkt (vgl. Hennessy 1993). Den Standpunkt der Frauen nicht essentialistisch aufzufassen, sondern als Subjektposition eines kritischen Diskurses könnte eine feministische /antipatriarchale Kritikperspektive begründen, die die Standpunkte stark macht, die in den gängigen Perspektiven auf Globalsierung - die in der Regel dem Standpunkt der hegemonialen Akteure des globalen Kapitals verhaftet sind - unsichtbar werden. Diesen "Frauenstandpunkt" als Erkenntnisstandpunkt einzunehmen, macht es möglich Zusammenhänge aufzeigen und zu skandalieren die üblicherweise ausgeblendet bleiben: Etwa die zwischen den zerstörerischen Ortseffekte der Globalisierung und somit den Widersprüchen einer coporate reality, die sich nur solange als gesellschaftliche Lösung präsentieren kann, solange es weiter gelingt auszublenden, dass sie systematisch auf Gewalt und Zerstörung aufbaut. Das Schweigen über die GeschlechterVerhältnisse ist Teil der ‚Strategie'.
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von Ariane Brenssell und Waltraud Schwab
Das strategische Schweigen über die Geschlechterverhältnisse spielt auch beim aktuellen Krieg gegen Afghanistan eine zentrale Rolle. Frauen und Frauenrechte sind lediglich Verhandlungsmasse. Damit Krieg als Lösung plausibel erscheint, müssen feministische oder antipatriarchale Standpunkte ausgeblendet werden, gerade auch hierzulande. Denn nur so bleibt auch die Überzeugung richtig, dass der Status Quo der westlichen Länder einfach fortgeschrieben werden kann. (Artikel aus der taz vom 24.12.2001 und der woz der 1. Januarwoche)
Der Zusammenhang zwischen Krieg und Geschlechterverhältnissen ist komplex. Ihn auf einen Slogan wie "Der Krieg ist männlich" zu reduzieren, verkennt welche Chance in einer Betrachtung der gegenwärtigen politischen Situation unter Einbeziehung der Geschlechterverhältnisse liegt. Damit nämlich eröffnet sich ein kritischer Blick auf den Argumentationskontext, in dem Krieg als einzige Lösung erscheint. Es geht jedoch um Alternativen. Frauen - darunter Susan Sontag, Arundhati Roy oder Saskia Sassen, die sich nach den Terroranschlägen in New York kritisch zu Wort gemeldet haben, haben die Ereignisse in Zusammenhang gebracht mit der Politik der Wirtschaftsnationen und dem Blutzoll, den diese in den meisten Ländern der Erde fordert. Damit wurden der 11. September und die am 7. Oktober begonnene Militäraktion in Afghanistan jenseits des Kontextes analysiert, in den sie von den Regierungen der Industrieländer, vornehmlich den USA, gestellt wurden. Wer aber den Kontext durchbricht, durchbricht auch den Konsens. Genau an diesem Punkt beginnt für Kriegsdemagogen die kritische Zone. Niemand soll daran zweifeln, dass Krieg Probleme lösen kann. Was dies für eine Gesellschaft heißt, hat Susan Sontag in ihrem Beitrag vom 15.9. auf visionäre Weise pointiert, als sie schrieb: "Lasst nicht zu, dass wir uns gemeinsam der Dummheit ergeben."
Zivilisation, Barbarei und Frauen
Die USA haben die Attentate auf das Welthandelszentrum und das Pentagon zur Kriegserklärung erklärt. Neben der Definitionsmacht in Bezug auf die Frage "wann Krieg ist" und "gegen wen Krieg wird geführt wird", haben die USA aber ebenso die Legitimationsmacht in Bezug auf die Frage "warum Krieg ist" für sich in Anspruch genommen. Ein leicht nachvollziehbares Szenario, in dem die Definition von der guten Seite, die schlechte impliziert, wird dafür herangezogen, wie die Literaturwissenschaftlerin Marianne Schuller und Volker Kaiser zeigen. Bezogen auf die Terrorakte am 11. September schreiben sie: Als Angriffgegen die gesamte (westliche) Zivilisation gedeutet, stellt sich unweigerlich die Gegenfigur in Gestalt des Unzivilisierten ein. Als Folge dieser Deutuing wird Amerika nicht nur zum Inbegriff der zivilisierten Welt, sondern es ist aufgefordert und legitimiert, den Kampf der Zivilisation gegen die Unzivilisation zu führen. Zivilisation versus Barbarei - dieser Dualismus macht Krieg als Lösung plausibel. Es gipfelt in der Festschreibung einer kulturellen Überlegenheit des Westens gegenüber dem Islam, wie dies beispielsweise der italienische Regierungschef Berlusconi bei seinem Besuch in Berlin sagte.
Ein Argument, das diesem Dualismus breite Zustimmung nicht nur unter Kriegsbefürwortern sondern auch unter Kriegsskeptikerinnen garantiert und das plötzlich ins Spiel gebracht wurde, ist der Umgang mit Frauen in Afghanistan. Die Situation der Afghaninnen, die zu Gefangenen im eigenen Land wurden, wollten Feministinnen bereits zur Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 berücksichtigt sehen. Von politischer Seite aber waren die Menschenrechtsverletzungen an Frauen durch die Nordallianz und später die Taliban niemals ein Anlass zum Eingreifen.
Es irritiert, wenn heute nun von Politikern und Kommentatoren auf das Schicksal der Afghaninnen verwiesen wird, um dem Krieg eine menschenrechtliche Legitimation zu verleihen. Wird zudem berücksichtigt, dass bereits 1990 circa 90% der Opfer jedes Krieges Zivilisten, meist Frauen, Kinder und alte Leute waren, wird dies Argument zur Farce.
Krieg, Alltag und Frauen
Es ist den Verantwortlichen in den USA daran gelegen zu behaupten, dass ihr Krieg ein sauberer Krieg ist, dass in ihrem Krieg nahezu keine Zivilisten ums Leben kommen. Sind Flüchtlinge, die tausendfach an Unterernährung, mangelnder Hygiene, Verletzung durch Minen oder Unterkühlung sterben, keine Kriegsopfer, weil sie nicht direkt im Bombenhagel sterben? Es stellt sich die Frage, ob Krieg nicht da gedacht werden muss, wo er bisher übersehen wurde: Im Alltag.
Alltagspraxis und Lebenssicherung sind Bereiche, die bis heute weltweit geschlechtsspezifisch organisiert sind. Frauen sind nach wie vor für die Reproduktion, die Erziehung, vielfach ebenfalls für die Ernährung und Alltagssicherung der Kinder und Familien zuständig. "Sorgeökonomie" lautet der Fachbegriff der UNO. Eine Frauen-Domäne.
Das alltägliche Überleben zu organisieren hat für Frauen auch im Krieg oberste Priorität. Damit aber orientieren sie sich bereits jenseits der Kriegslogik. Statt Terror und Krieg rücken für sie Verteilung und Gerechtigkeit ins Blickfeld. Hier aber liegt ohnehin viel im Argen. Denn wenn Verteilung nicht nur allgemein, sondern auch geschlechtsspezifisch untersucht wird, pointiert dies die ungerechte Weltordnung zusätzlich. Zwei Drittel der Armut der Welt trifft Frauen. Zwei Drittel der Frauen der Welt sind Analphabetinnen. Zwei Drittel der Arbeit der Welt wird von Frauen geleistet. Mit diesen Zusammenhängen im Blick, werden andere Fragen an die Politik wichtig.
< Krieg und Geschlechterhierarchien /P>
Feministische Militärsoziologinnen wie Ruth Seifert haben den Zusammenhang zwischen militärischer Ideologie und der Abwertung von Frauen herausgearbeitet. Dabei spielt die Produktion von geschlechtsspezifischen Sterotypen eine tragende Rolle. Emotionalität ist weiblich, Rationalität ist männlich. Gefühl verliert, Härte siegt. Nur so ist militärische Hierarchie möglich.
Die Schröder-Roth-Parabel macht dies deutlich. Wie Mary Robinson, die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, forderte die Parteichefin der Grünen, Claudia Roth, eine Feuerpause, damit die afghanische Bevölkerung humanitär versorgt werden kann. Von Schröder wurde sie daraufhin als "HEULSUSE" verunglimpft. Als Nicht-Militärexpertin könne sie den Ernst der Lage nicht richtig beurteilen. Während Schröder von den Medien zum Staatsmann erkoren wurde, als er seine Betroffenheit beim Besuch von "GROUND Zero" zeigte, wird sie verhöhnt, weil sie vom Flüchtlingselend angerührt ist.
Die Friedensforscherin Astrid Albrecht Heide hat in ihren Arbeiten zum Verhältnis von Militär und Geschlecht gezeigt, dass Militar als "direkter Ausdruck patriarchaler Gewaltverhältnisse" gefasst werden muss. Damit verbunden ist auch eine "RAMBOISIERUNG des Alltags", wie Maria Mies, eine der Pionierinnen der feministischen Bewegung, sagt. Die Situation in Afghanistan ist dafür ein Beispiel. Erst die Kriege der letzten zwei Jahrzehnte im Land - Stellvertreterkriege der Großmächte übrigens - schufen die rigide Geschlechterordnung, die Frauen das Recht auf Bildung, Gesundheit und Selbstversorgung abspricht.
Kriegsgeschäfte - Frauenkörper
Die geschlechtsspezifischen Dimensionen von Krieg sind damit noch nicht ausgeschöpft. Auch der Körper der Frau ist ein Gegenstand. Denn selbst wenn Vergewaltigung von Frauen im Krieg nun am Den Haager Strafgerichtshof als Verbrechen gewertet wird - was auch die Taliban wenig beeindruckt, wie in dem im Fernsehen gezeigten Film "BENEATH the Veil" (Zeit der Finsternis) von Saria Shah zu sehen war - wird Sex zum Zwecke der Soldatenbefriedung auf mehrfache Weise auch in Afghanistan eine Rolle spielen. Vergewaltigung ist nur eine Facette. Prostitution eine andere. Die jahrelange Präsenz westlicher Militärs in Indochina zeigt beispielhaft wie in der Region Prostitution und Frauenhandel als lokale Ökonomien etabliert wurden. Die Erträge, die damit erzielt werden, sind beträchtlich, vergleichbar denen im Drogenhandel. Frauen ziehen daraus den geringsten Profit. Auch in Afghanistan wird sich ein solcher Markt herausbilden können. Krieg ist Geschäft. Eins davon ist das mit Frauen.
Widersprüche
Wer die Geschlechterverhältnisse in seine Reflexion über den Krieg einbezieht, weist demnach auf Widersprüche in der Argumentation der westlichen Regierungen hin. Diese aber sollen unaufgedeckt bleiben, da sie dem Image und Selbstbild der westlichen Länder schaden und ihren Sendungsauftrag bloßstellen würden.
Ist damit zu erklären, warum Feministinnen der westlichen Länder, die sich kritisch zum Krieg und zur Politik der USA geäußert haben, gar mit Strafverfolgung rechnen müssen, wie die kanadische Professorin Sunera Thobani oder lächerlich gemacht werden wie beispielsweise die us-amerikanische Schriftstellerin Barbara Kingsolver. Sämtliche Schimpfwörter, die im Lexikon stehen, wurden mir nachgeschrien", sagt sie. "Verräterin, Sünderin, Blauäugige, Liberale, Peacenik, Jammerlappen." Aber "Alternativen zum Krieg vorzuschlagen ist mitnichten naiv."
Ist so auch zu verstehen, dass Abtreibungskliniken in den USA - wie im Boston Globe vom 17.10. zu lesen ist - bereits seit 1998 mit Briefen attackiert werden, die angeblich Anthrax enthalten, ohne dass die Terrorbekämpfer und die Medien davon aufgeschreckt wurden. Die Briefe tragen die Handschrift christlicher Fundamentalisten.
Ist damit ebenso zu begreifen, warum Vertreterinnen der von Pakistan aus agierenden afghanischen Frauenorganisationen "RAWA" oder "Afghan Women Council" - es waren jahrelang die wichtigsten Akteurinnen im Widerstand gegen das Taliban-Regime - bei den Gesprächen um die neue Regierungsbildung in Afghanistan bisher nicht einbezogen sind?
Alternativen
In der ersten Regierung nach der Gleichstellung der Frauen in Afghanistan 1964 waren Frauen in hohen Positionen vertreten. Zwanzig Jahre Krieg haben diese Zeiten des Landes vergessen gemacht. Obwohl auch heute wieder - der New York Times zufolge - afghanische Frauen im pakistanischen Exil dem UN-Sicherheitsrat versichert haben, an einer neuen demokratischen Regierung mitarbeiten zu wollen, brachte sie bisher kein Politiker ins Spiel. Warum nicht? Warum wird an den fundamentalistischen, misogynen Taliban und der Nordallianz als Vertreter einer neuen Regierung festgehalten? Die Vermutung liegt nahe, dass diese Gruppen auch weiterhin als bessere Statthalter der Interessen der westlichen Welt und Pakistans gelten. Warum? "Um den internationalen Konsortien den Zugang zu den Bodenschätzen, darunter riesige, bisher kaum erschlossene Ergas- und Erdölreserven, auf afghanischem Gebiet zu sichern", meint die in Berlin lebende Soziologin und Exil-Afghanin Mariam Notten.
Sicher geht es nicht nur um Öl, denn dies lässt den Terroranschlag unberücksichtigt. Die Bekämpfung des Terrors aber ist ebensowenig alleiniger Grund des Krieges. Dafür wären andere Maßnahmen sinnvoller.
Um Terror und Krieg zu verstehen, muss die globale Weltordnung, in der der Zugang zu Ressourcen und Lebensmöglichkeiten ungleich verteilt sind, in den Mittelpunkt der Kritik rücken. Denn dies schüre den Hass, sagt die marokkanische Feministin und Schriftstellerin Fatema Mernissi. In einem Interview, das am 4.11. im ARD gesendet wurde, berichtet sie von einem Herrn Keller, Vertreter des transnational agierenden, us-amerikanischen Erdölkonzerns UNOCAL. Mr. Keller sei wegen der Pipeline seiner Firma über den Sieg der Taliban 1996 sehr erfreut gewesen, erzählt sie und bezogen auf die gegenwärtige Situation führt sie aus: "Der Angriff, die Gewalt gegen New York bedeuten folgendes: Mr. Keller teilte den Planeten in zwei Hälften. In einen Teil des Planeten, in dem die Frauen geschützt waren, seine Tochter und seine Frau. Geschützt durch Gesetze. Und im anderen Teil des Planten unterstützte Mr. Keller Kriminelle, die Frauen angriffen und ihre Rechte zerstörten. Für ihn war diese Grenze etwas ganz Natürliches. Jetzt haben uns die Terroristen in einem Blutbad aufgezeigt, dass diese Barriere, die die Welt in zwei Zonen aufteilt, in eine, in der die Gewalt erlaubt, und in eine, in der sie verboten ist, nicht haltbar ist. Das glaube ich, ist die größte Lektion."
Die indische Schriftstellerin Arundhati Roy argumentiert in ihrem Kommentar zum 11.September in ähnlicher Weise, als sie auf die Katastrophe in Bhopal verwies. Einem ‚Unglück' in einer amerikanischer Chemiefabrik in Indien, bei dem 16.000 Menschen starben, ohne dass es Konsequenzen für die verantwortlichen Amerikaner nach sich zog. Der politische Aufschrei der westlichen Welt fehlte ebenso. Warum eigentlich? Weil die Normalität im Westen die Ausnahme ist, in vielen anderen Ländern aber ein Ausnahmezustand?
Die Frage von Außenminister Fischer im Bundestag, wie man den Terrorismus und die Taliban denn stoppen solle, außer mit Krieg, und mit der er suggerierte, dass es zum Krieg keine Alternative gäbe, lässt sich doch beantworten: Durch Offenlegen der geopolitischen, strategischen und ökonomischen Interessen, durch Dialog, durch eine radikale Veränderung und Öffnung der Perspektive, durch die Einbeziehung der Standpunkte von denen, die für das Überleben sorgen, auch unter widrigsten Bedingungen und durch entsprechendes politisches Handeln. In diesem Zusammenhang werden Frauenstandpunkte wichtig, weil Frauen, aufgrund geschlechtsspezifischer Arbeitsteilungen und Zuständigkeiten noch immer mehrheitlich jene Positionen inne haben, die sie am härtesten mit den negativen Konsequenzen der Wirtschafts- und Kriegspolitik konfrontieren.
Damit Krieg als Lösung plausibel erscheint, müssen diese Standpunkte ausgeblendet bleiben. Nur so bleibt auch die Überzeugung richtig, dass der Status Quo der westlichen Länder einfach fortgeschrieben werden kann. Feministische Ökonominnen sprechen daher von einem "strategischen Schweigen". Dieses Schweigen ist zu brechen.
Nachsatz
Der italienische Ex-Präsident Cossiga, keine unbescholtene Figur, habe - laut Tagesspiegel vom 4.11. - verlauten lassen, dass Polygamie im Kampf gegen den Terrorismus nützlich sei. Muslimen sollte die "rechtliche Autorität" über mehrere Ehefrauen gewährt werden, wenn es um "notwendige Zugeständnisse" an die Gegenseite ginge. Deutlicher kann nicht gesagt werden, dass Frauen die Verhandlungsmasse sind, die von westlichen Politkern ohne Reue in die Arena geworfen werden und dass Frauen dazu zu schweigen haben. Auch an der Heimatfront. So benannt aber dürfte es schwieriger werden, Frauen zu Komplizinnen der Kriegspolitik zu machen.
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Intention einer Diskussion um antipatriarchale Antikriegsperspektiven
Wir bitten Euch um die kritische Bewertung einer antipatriachalen Perspektivdiskussion zum Krieg, um an den inhaltlichen Ergebnissen möglicherweise einen Organisierungsansatz zu entwickeln. Wir wollen mit dem nachfolgenden Text verschiedene Denkrichtungen aufmachen, ohne eine davon als absolut und einzig richtig zu favorisieren. Wir wollen und können keine allumfassende Analyse liefern. Aber wir glauben, daß es an der Zeit ist, zu einer/mehrerer antipatriachaler Strategien und Handlungsansätzen gegen Krieg/Herrschaft zu kommen. Die Entwicklung eines derartigen Ansatzes steht erst am Anfang, deshalb sind kritische Ergänzungen und inhaltliche Erweiterungen wertvoll. Ideologisierte und duchgekämpfte Positionen halten wir für blockierend und wenig hilfreich für das oben beschriebene Vorhaben. Vielleicht können im Rahmen der Cross-Over-Converence neue Erfahrungen gemacht werden!
Zum Rahmen der AG auf dem Cross-Over-Treffen, Vorüberlegungen
Die AG ist für ca. vier Stunden angesetzt, wobei dieser Text die zentralen Thesen vorstellt.
Zur Frage, warum diese Diskussion nicht im FrauenLesbenrahmen stattfindet, stellen wir unsere bisherigen Erfahrungen gegenüber: Seit Jahren wurden Transgender bzw. deren Positionen bewußt und konsequent aus Teilen von FrauenLesbenstrukturen ausgegrenzt und in mehrfacher Hinsicht als Bedrohung und nicht als Bereicherung für femministische Strukturen wahrgenommen. Infolgedessen stellt sich uns die Frage nach anderen Strukturen. Wir wollen eine radikale, antipatriarchale Handlungsperspektive gegen jeden Krieg entwickeln, ob nun mit "eindeutig" biologisch zuordbaren Frauen oder trans- oder zwittrigen. Dies kann die Herausbildung neuer Räume, antipatriarchaler Plenas, präsenter Strukturen/Redebeiträge auf Demos umfassen wie auch neue,ungewöhnliche kulturelle und widerständische Aktionsakzente.
Für Bremen wird die Diskussion in gemischten Rahmen überlegt, welche allerdings klare politische Rahmenbedingungen braucht, damit tatsächlich diskutiert werden kann und der "Open Space" vorhanden ist, in dem sich etwas "Neues" uns guttuendes entwickeln kann. Dieser Rahmen sollte sich über politische Kriterien bestimmen. Für unreflektiertes patriarchales Verhalten und Nullinteresse an antipatriarchalen Auseinandersetzungen, für Dominanzverhalten und transphobe Positionierungen, egal welchen Geschlechts, wird die AG keinen Raum bieten. Auch auf runtergebetete PC-Positionen - oft erlebt und eingeübt- z.B. von sogenannten antipatriarchalen Männern verzichten wir gerne. Wir haben ungute Erfahrungen in gemischten Rahmen, möchten jedoch nicht von vorneherein die Diskussion in gemischte und FrauenLesbenTransZwitterstrukturen auftrennen. Wir würden dazu gerne vor Ort ein kurzes und knappes Stimmungsbild erstellen, das die Bereitschaft überprüft, im gemischten Rahmen zu diskutieren. Bei Schwierigkeiten, auch bei zu vielen TeilnehmerInnen werden wir die AG nach einer gemeinsamen Einleitung (Referat u. Verständnisfragen) strukturell trennen und die weitergeführten Diskussionen am Ende wieder zusammen führen. Wir gehen mit unserem Ansatz davon aus das wir prinzipiell einen gemeinsamen Kampf zu entwickeln haben, der aber von unterschiedliche Ausgangsbedingungen geführt wird.
Einleitung
Anhand zweier Thesen, versuchen wir die Diskussion zu
organisieren, von denen wir uns praktische Auswirkungen versprechen. Die drei
Fragestellungen würden wir deshalb in der Diskussion gerne berücksichtigt
wissen.
1) Woran
orientiert sich eine Position zum Krieg,die nicht zwischen den Polen von
"Freund" und "Feind" zerrieben werden will? Wie kommen wir zu einem klaren
Verhältnis zu Krieg, das uns befähigt, in jeder Kriegsphase, bei noch so
heftiger Kriegspropaganda, in Situationen, in denen viele Linke desorientiert
oder als KriegsbefürworterInnen auftreten, differenziert und eindeutig Position
beziehen können?
Wir denken, ein klares Verhältnis zu
Krieg befähigt auch zu klaren Handeln.
2) Wie und wonach handeln wir? Wo ist unser Platz,
wenn wir Widerstand entwickeln wollen, jenseits dieser Pole von "Gut" und
"Böse"? Und woran orientiert er sich, sollen doch unsere Widerstandsformen sich
gegen Militarisierung richten, und radikal, aber nicht militaristisch sein? Und
lassen sich durch eine Kampfform, die wir emanzipatorisch besetzen, die
jeweiligen BündnispartnerInnen erkennen bzw. andere ausschließen?
3) Wie kann sich der
Frage einer Organisierung gegen den Krieg gewidmet werden, wie und woran
entstehen neue Räume, Strukturen, Diskussionen die tragfähig sind? Strukturen
entwickeln sich im Wechselspiel zu Widerstand, dieser wird erst dann lebbar,
wenn wir damit eine Utopie, eine Orientierung verbinden.
Patriarchatsbegriff. Versuch einer Begriffsbestimmung für die AG.
Wir legen unserem Workshop eine Begriffsbestimmung von "Patriarchat" zugrunde, um von diesem ausgehend in die Diskussion einzusteigen. Patriarchat wird von uns als Herrschaftsform bezeichnet, innerhalb derer sich historisch entlang der Biologie zwei soziale Geschlechter herausgebildet haben.
1. Extremster Ausdruck dieser sozialen Geschlechterordnung ist die Ausübung sexualisierter Gewalt durch Männer, die ihren Körper als Waffe zur Unterwerfung einsetzten. Mit dem Einsatz der Waffe "Körper" und "Geschlecht" werden täglich aufs Neue Machtansprüche, Herrschaft und Verfügungsgewalt über Frauen durchgesetzt. An der direkten Form der wiederholenden Durchsetzung dieses Herrschaftsverhältnisses müssen nie alle Männer beteiligt sein. Die "guten" Männer sind Nutznießer der Aktionen der "bösen" Männer, garantieren letztere durch die alltägliche Androhung und Ausübung von sexualisierter Gewalt eine Herrschaftsform ökonomischer Hierarchien, die fast schon als natürlich in die Köpfe eingebrannt sind. In der westlichen Gesellschaft stellen z.B. sexistische Werbung, und Vergewaltigungsszenen im Fernsehen ausgesprochene Drohungen der patriarchalen Gesellschaft an die Frauen dar bzw. manifestieren die Verfügungsgewalt über diese. Frauen sollen in schlechter entlohnter Arbeit, Zuweisung in entgarantierte, soziale Bereiche und in unsichtbare Reproduktionarbeit gezwungen bleiben.
2. Im kapitalistischen Patriarchat sind menschliche Beziehungen auf den Kopf gestellt. Nicht das, was den Fortbestand einer jeden Gesellschaft garantiert- nämlich die Reproduktion menschlichen Lebens- bestimmt die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Beziehungen zueinander, sondern die davon losgekoppelte Produktion, deren Ziel Geld- und Machterwerb ist und nicht die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und Beziehungen beinhaltet. Diese Aufspaltung von Produktion und Reproduktion und die Bewertung der "Produktion als gesellschaftserhaltende Tätigkeit von alles bestimmender Wichtigkeit und Reproduktion als "naturwüchsige Lebensäußerung, nicht gesellschaftlich, der Produktion nachgeordnet" ist gekoppelt an die Geschlechterhierachie. Wird der Frau qua Personenstand der reproduktive Bereich zugeordnet (Hausarbeit, Erziehung, Sozialarbeit, Subsistenz), so wird der Mann mit dem produktiven Bereich gelichgesetzt, der in der Regel auf Zerstörung basiert, auf Eroberung anderer Märkte und auf ein kriegerisches Verhältnis gegenüber den jeweiligen Gegnern, die die eigenen Machtinteressen bedrohen. Der "weiße Mann" ist der Maßstab und definiert, was und wer Wert ist. Alle Beziehungen werden diesen Wertdefinitonen untergeordnet (z.B. Zivilisierte Welt mit wertvollen Menschen gegen barbarische Welt/ das Existenzrecht von Flüchtlingen u. MigrantInnen wird in diesem Land an ihre Verwertbarkeit gekoppelt). Der weiße Mann als Norm und die daran gekoppelte Wertdefinition hat sich durchgesetzt und ist allen Verhältnissen eingeschrieben. So sind die weiter unten beschriebenen "Grenzübertritte" von Frauen/ schwarzen Menschen möglich, ohne diese Norm in Frage zu stellen.
3. Die soziale Geschlechterhierarchie beginnt mit der medizinischen Elimination biologischer Abweichungen von dieser angenommenen Norm. Aus eben diesen Grund sind Zwitter sowohl biologisch wie sozial in dieser Gesellschaft unsichtbar, bzw. vernichtet worden. Die Unsichtbarkeit von möglichen anderen Geschlechtskategorien ist zwingend, um auf einer scheinbar natürlichen biologischen Zweigeschlechtlichkeit die scheinbar ebenso natürliche soziale "Ordnung" in die Köpfe hineinzupflanzen. Vor der Geburt wird mit der normalsten aller Fragen ("Ist es ein Junge oder ein Mädchen?") die Sozialisation festgelegt und darüber das Kind in allen Lebensbereichen bestimmt. Nicht nur, daß dem Kind keine Entscheidungsmöglichkeit gelassen wird, sondern etwas, das jenseits dieser beiden Kategorien lebbare Realitäten darstellen könnte ist darin nicht annähernd eingeräumt. Die Biologischen Eindeutigkeiten, an Zwittern gewaltsam hergestellt, bestimmen den Personenstand und definieren die gesellschaftliche Rolle und das Leben in hierarchischen Strukturen. Die Brutalität der medizinischen Zuweisung am Beispiel der Zwitter verweist darauf, wie wichtig die Zweigeschlechtliche Ordnung bisher war, um die Geschlechterhierachie durchzusetzten. Ein Überwechseln von einem Personenstand in den anderen regelt das Gesetz, ein Dazwischen ist nicht vorgesehen. Die Anpassung an die vorgegebene Rolle durchdringt alle Personen und wird gewaltsam flankiert.
4. Patriarchat kennzeichnet für uns ebenso eine rassistisch organisierte Herrschaftsform. Der weiße, gesunde Mann, Inbegriff des sogenannten zivilisierten Welt, bildet die Norm ab an dem alle anderen gemessen werden. In dem Bild vom weißen Mann, als dem eigentlich Wertschöpfenden wird die ökonomische Ausbeutung geschlechtlich und rassistisch/kolonial organisiert (Greencard für Inder/Abschottung Festung Europa, Zivilisation/Barbarei, Definition von wertvollen/weniger wertvollen Menschen mit der Legitimation zum Töten). Ein antipatriarchal orientierter Widerstand gegen die Macht des weißen Mannes zielt eben nicht nur auf eine sexistisch organisierte Ökonomie, sondern auf die rassistisch/kolonial organisierte Ausbeutung. Dieser Krieg ist in wesentlichen Zügen auch von kolonialen Begriffen geprägt. Die Werte der Zivilisation gegen die Barbarei prägen das Schlachtfeld im Kreuzzug gegen das Böse, den Islam, die arabische Welt. Und der Krieg verlängert sich in den Metropolen u.a. auch im Kampf gegen die Flüchtlinge.
Soweit zur allgemeinen Begriffsdefinition zu unserem Verständnis zu Patriarchat. Im Folgenden werden von zwei Thesen ausgehend Überlegungen zum Antikriegswiderstand zur Diskussion gestellt.
These 1: Nur ein Widerstand, der sich gegen jeden Krieg ausspricht und die radikale Entwaffnung der Herrschenden anstrebt und sich in Bezug setzt zu anderen globalen Kämpfen mit ähnlicher Ausrichtung von Widerstand, entzieht sich im Handeln der Logik von Krieg. Jede Parteinahme für einen kriegerischen Angriff durch einen Staat oder antiemanzipatorische bewaffnete Organisationen, die Macht und Herrschaft anstreben, ist eine Unterstützung von Krieg und kann kein positiver Bezugspunkt unseren Widerstandes sein. Die Infragestellung der Werte des westlichen Zivilisationsmodells sind eine Voraussetzung dafür.
Im Zusammenhang mit dem 11.ten September sind "Krieg und Terror" aus dem Mund der Herrschenden Propagandabegriffe! Aus der Position diese Textes sind Krieg und Terror zwei Seiten ein und desselben patriarchalen Geldstückes, wobei es uns als sinnvoll erscheint, uns nicht auf das Terrain der Terrorismusdefinition einzulassen. Der Terrorbegriff dient schon seit Jahren dazu Widerstand zu diskreditieren, zu kriminialisieren und je nach Lage zu eleminieren. Und so wird er auch jetzt ausgeweitet eingesetzt und auch auf GlobalisierungsgegnerInnen und zukünftigen Widerstand ausgeweitet. So sind heute schon Flüchtlinge qua Existenz "terrorismusverdächtig", ihr unerlaubtes Eindringen in die Festung Europa zieht Abschiebeknast nach sich, etc." Terror" ist seitens der Herrschenden ein Synomym geworden für die Bedrohung herrschender Interessen und reibungsloser Verwertungsabläufe.
Die Angriffe am 11.9. waren nicht staatlich legitimierte Kriegshandlung im Sinne der patriachalen Kriegslogik. Durch sie wurden Machtzentren bzw.Symbole zerstört. Zivile Mittel werden zu Waffen umfunktioniert und in patriarchaler Kriegslogik wird eine Situation herbeigeführt die nur auf militärische Eskalation setzt. Die Anschläge verschließen gewollt politische Handlungsspielräume und sollen polarisierend wirken. Sie richten sich nicht gegen Krieg, sondern eskalieren ihn. Die Machthaber sehen sich in dem Angriff real bedroht und folglich müsse die "Zivilisation" jetzt gegen die "Barbarei" verteidigt werden. Kreuzzug gegen das Böse, heiliger Krieg und Kampf der Kulturen, Christentum gegen Islam. Das war und ist zum Teil noch der Sprachgebrauch der sich nur taktischen Gründen folgend verändert hat. Wenn wir "Zivilisation" als Herrschaftsmodell betrachten, das seine Kreuzzüge vor 1000 Jahren begann und bis heute in kolonialer Art und Weise in andere Kulturen einfällt (Sanktionen/Investitionen,Weltbankdiktate/Entwicklungshilfe, kriegerische Interventionen/Sterben lassen bei Hunger/Seuchen etc.) befinden wir uns heute in einenr neuen Stufe von Krieg. Die Anschläge legitimieren nun eine neue Dimension. Diese liegt in ihrer Monströsität einer sogenannten Antiterrorallianz und der Ankündigung eines 10 Jährigen globalen Krieges und der Ausrottung all dessen was die Herrschenden als Terrorismus definieren. Entweder emanzipatorischen Kräften gelingt einen Weg in befreite Gesellschaft hinein oder uns stehen Abgründe ins Haus die heute noch niemand zu denken wagt. Der ehemals demokratische Deckmantel wird heute in das Tuch des Kaisers neue Kleider gehüllt. Die Scham fällt schon seit einiger Zeit und eine "große Aufräume" gegen alle Kräfte, die aus welchen Gründen auch immer Sand im Getriebe reibungsloser Verwertungsprozesse darstellen ist in Vorbereitung. Die Diskussion um eine Militärgerichtsbarkeit und Anwendung der Folter in England/USA, die Durchpeitschung des Sicherheitspaketes im Bundestag,die EU-weite Neudefiniton von Terrorismus und dessen Eliminierung, die Militarisierung der Köpfe ebenso wie der Sozialpolitik untermauern dies leider nur.
Ob nun die Al-Qaidah wirklich die direkten Drahtzieher der Anschläge waren,oder ob sich irgendwann ganz andere Abgründe auftun, ist für die Begründung unserer These unerheblich. Wichtig soll sein, daß uns wir uns als ZuschauerInnen vor der Mattschscheibe wiederfinden sollen, die in den Kampf der Guten gegen die Bösen einstimmen sollen. Selbst wenn die Al-Qaidah die alleinigen Drahtzieher waren, so ist auch ihre Enstehung und Herkunft nur eine weitere Bestätigung oben genannter These. So wurden die Taliban beispielsweise vom Westen als fundamentalistisch-patriarchale Kraft in STellung gegen die Sowjetunion gebracht. Damals wurde davon ausgegangen das es einer starken Ideologie bräuchte die Sowejets aus dem Land zu vertreiben und den Weg für westliche Interessen frei zu machen. In dieser patriarchalen Aufrüstung war der Angriff auf Frauen und emanzipatorischer Entwicklung wichtiger Bestandteil der Mobilmachung der Männerorganisierung. Ausgestattet mit einer fundamentalistischen Ideologie gegen die Besatzer wurden unabhängige, fortschrittlich anzusehende linke und soziale Gruppen zerrieben. Das Entstehen von Warlord-strukturen ist kein Versehen sondern ein Konzept um in ehemaligen Staatsformen Ausbeutungs und Verwertungsprozesse im Sinne globaler patriachaler Herrschaftsinteressen neu ordnen zu können, wie wir am Kriegsergebnis im Kosovo sehen können.(UCK als warlords aufgebaut,Protektorat unter NATO-Verwaltung,durchmilitarisierte Gesellschaft, zerstörte soziale Strukturen, NGO leisten "Entwicklungsarbeit" und gehen mit den Soldaten in die gleichen Puffs, Organisierung und Umschlagplatz von Frauenhandel über warlord-strukturen). Die Strukturen der Warlords und die Strukturen der "freien westlichen Zivilisation"bedienen sich gleichermassen der patriarchalen Logik von Krieg . Weder die Angreifer noch die Angegriffenen des 11.ten September kümmern sich bei der Durchsetztung ihrer Interessen um Feinheiten. Es ist alleine eine Frage der Taktik wo an welchem Ort und von wem über wieviele Leichen gegangen wird, oder warum gerade nicht. Auf Menschenleben hat weder die westliche Zivilisation der Kreuzritter oder die Eroberer Nordamerikas Rücksicht genommen noch die neuen Herausforderer. So wird Krieg und Terror seitens der Herrschenden unserer ANsicht nach als zwei divergierende Begriffe benannt, die sie eigentlich nicht sind.Der Terrorbegriff dient den Herrschenden, um ihre unglaubliche Gewalt zu legitimieren. Von antipatriarchalem Standpunkt aus betrachtet ist Krieg und Terror ein und dasselbe ! Beide Kriegsparteien versuchen im Sinne ihrer Mittel und Ideologien zu polarsieren und ihr Anliegen als heilige Sache auszugeben. Es ist eine der Kriegslogiken, nur "Gut" und "Böse" zuzulassen und jede Abweichung zu zermahlen. Am Ende gewinnt das Patriachat.
Indem wir die Entwaffnung von Herrschaft politisch wie praktisch denkbar machen, brechen wir damit, in den polaren Kriegslogiken verhaftet zu bleiben. Diese Position schließt die Entwaffnung der linken fortschrittlichen ModernisierungsvertreterInnen, die kleinen patriarchal-dominierten Strukturen im linken Gewand ein, die ähnlich wie die 68er nach oben treiben. Waren es doch auch die "linken, fortschrittlichen" Kräfte, die Herrschaft immer wieder modernisiert haben und nur Macht erringen wollten, deshalb natürlich nie ein politisches Prinzip stark gemacht haben, welches die Entwaffnung der Herrschenden vorantrieb! Deutsche Männer und Frauen, organisiert als Antideutsche, auf der Guten Seite stehen wollend, die sich von der Schuld ihrer Väter und Mütter freiwaschen wollen reproduzieren Saubermannpositionen, die keinen Widerspruch zuläßt. Ihre Positionen als Verteidiger der Zivilisation weist sie als Profiteure von eben dieser Zivilisation aus. Ihnen kommt das rassitisch und sexistisch organisierte ökonomiche Gefälle zugute, folgerichtig organsisieren sie ihre Position an der Seite der Zivilisation und westlichen Mächte um die islamischen Zentren auszulöschen. Ihre klare Positionbeschreibung hat mit einer emanzipatorischen Sichtweise nichts zu tun und bewegt sich innerhalb der Kriegslogiken. Aber auch andersherum läßt sich das Problem gut betrachten: Wenn der 11.te Sept. bekennenderweise von klassischen Nazis verübt worden wäre die gemeinsame Verurteilung durch die Linke gewiss gewesen. So aber schleicht sich im Umgang mit dem Angriffen auf die USA tatsächlich eine Position ein, die sagt, ja-es sind die Armen der Welt, es sind die Folgen der Globalisierung, des Kapitalismus. Diese Argumentation wäre nie tragfähig innerhalb der Linken gewesen, oder als Variante der Verharmlosung von neonazistischen Terror zu Recht angegriffen worden. Das aber mit den verarmten Klassen argumentiert werden kann entlarvt Teile der Linken, die an Wertigkeiten festhalten, die uns politisch von ihnen trennen. Über den klassischen Antimperalismus, die heimliche Sympatie für das kleinere Übel, bewegt sich im Rahmen der polaren Gut und Böse Schemas und durchbricht nicht´s, die Toten der einen oder anderen Seite sind funktional eingesetzt, dem Antiamerikanismus die Türen geöffnet. An dem Israel/Palestina-Konflikt läßt sich richtigerweise auch Positionen entlarven. Die Parole "Lang lebe Israel" durchbricht ebensowenig die Polaritäten wie "Alle Juden ins Meer", oder "Israel, der Sattelit der Amerikaner", (der die Gründe der Existenz Israels negiert- die weltweite Verfolgung Menschen die sich selbst oder von anderen als JüdInnen definiert werden) sondern reproduziert und schreibt Fronten fest, die aus unserer Sicht grenzüberschreitender, polare Fronten zersetztender Lösungen bedarf. Denn natürlich geht es um die Zerstörung jeglicher Herrschafts-und Unterdrückungsformen! Das heißt, daß unser Kampf gegen den weißen Herrenmenschen auch bedeutet, nicht nur Menschen jüdischen Glaubens oder denjenigen,die sich per Selbstdefinition als jüdisch einordnen, geduldete Nischen einzuräumen, sondern Lebensräume zu erkämpfen, die auf gleichen Rechten aufbauen wie sie für jeden Menschen, egal welcher Hautfarbe, Geschlecht oder Anschauung möglich sein müssen.
Für die Entwicklung eines alltäglichen Widerstandes ist es eine wichtige Frage, inwieweit wir uns gegen den Gegner aufrüsten, eine Militarisierung unserer Auseinandersetzungen in Kauf nehmen und damit in der patriarchalen Logik gefangen bleiben, weil es um "Durchsetzten, Sieg und Eroberung" geht. Oder ob wir versuchen, soziale Prozesse in Gang zu bringen, die Machtstrukturen zersetzen und auflösen können und im Rahmen dieser politischen Bestimmung die Gewaltfrage und Anwendung von Militanz definieren. Es geht also weder darum, sich einer der Mächte zuzuordnen, noch eine eigene Macht stark zu machen, die in die patriarchale Logik einsteigt, sondern die Zerstörung und Entwaffnung jeglicher patriarchaler Herrschaftsformen anzustreben und jenseits der aufgemachten Kriegspolarisierungen nach Verbündeten Ausschau zu halten. Dabei taucht auch die Frage auf, wo sind weltweit jene Kräfte die jenseits kolonialer und nationaler Grenzziehungen in Widerspruch zu lokaler oder globaler Herrschaft stehen, aber Machtpositionen nicht besetzten wollen?
These 2: Das Modell der Zweigeschlechtlichkeit ist eine zentrale Institution zur Herausbildung kriegerischer, militarisierter Verhältnisse. Die existierende Geschlechterordnung bringt sowohl sexistsiche Gewaltverhältnisse wie kriegerische, durchmilitarisierte Strukturen hervor. Eine antipatriarchale Antikriegsposition verweigert sich nicht nur bipolarer Positionierung ,sondern sollte das MannFrau-Konzept als ein Fundament für die Kriegsfähigkeit und Mobilisierbarkeit der Gesellschaft politisch wie praktisch sabotieren. Angiffe auf die Geschlechterordnung sind im gesellschaftlichen Sinne wehrkraftzersetzend, weil sie klare Wertigkeiten außer Kraft setzen und an einer kriegswichtigen Front Desorientierung verbreiten.
Bipolarität und...
Die Kategorisierung in Frau und Mann schafft den Ausgangspunkt täglicher Rollenzuweisung, ein Oben und Unten. Das bedeutet Sexistische Lebens- und Arbeitsbedingungen, die permanent gewalttätig durchgesetzt werden müssen. Bipolares Denken ist Teil patriarchaler Herrschaft und bedeutend für die Kriegsführung und Kriegsfähigkeit. Freund-Feind, Mann-Frau, Zivilisation-Barbarei, deutsch-fremd, gesund-krank, weiss-schwarz schafft die Voraussetzung für gesellschaftlich legitimiertes Morden. Genaugenommen sind an dieser vereinfachten Sichtweise auch linke Modelle gescheitert der in den Polen Arbeiterklasse versus Kapital die Lösung gesucht hat, anstatt zu erkennen wie tiefgreifend Herrschaft die einzelnen Subjekte durchzieht. Für uns kann das nur heißen zu einem Denken und Handeln zu kommen, das die ständigen Kriegspolarisierungen durchbricht, anstatt sich ständig immer wieder in bipolare Strukuren pressen zu lassen.
...Zweigeschlechtlichkeit und Sexualisierte Gewalt...
Wir verzichten darauf, uns auf den Begriff zweier "konstruierter Geschlechter" zu beziehen. Die Vorstellung, zwei Geschlechter würden konstruiert und müssen nur "dekonstruiert" werden, verharmlost deren gewaltätige Herstellung. Die ständige Androhung und Ausübung sexualisierter Gewalt ist eine der Formen, um die Herstellung zweier Geschlechter bzw. damit einhergehender Rollen zu garantieren und stets neu durchzusetzen, mit dem Ziel, Herrschaft abzusichern. Die alltägliche Verinnerlichung sexualisierter Gewalt und Hierachie läßt Männer als Männer und Frauen als Frauen erscheinen. Unklare Positionen werden im Zweifelsfall weiblich definiert und Sexismus auf "Nichtmännliches" anwendbar gemacht. Der Schwache, die Tunte, der Krüppel, der "Flüchtling",der unterlegene Feind, der Zwitter, der Gegner - diese Bedrohungen, das Andere wird von der Position des weißen, "gesunden, Herrenmenschen ausgehend definiert, verweiblicht und entsprechend angegriffen. Ein Widerstand gegen sexualisierte Gewalt, der keine gewalttätigen Rollen zwischen den Geschlechtern will, jedoch weiterhin von zwei Geschlechtern ausgeht (oder gar von zwei Rollen), verfehlt das Ziel. Das Konzept "MannFrau" garantiert das Herrschaftsverhältnis und es wird nicht durch "besserer Mann", "schwuler Mann", "lesbische Frau" oder "femministische Frau" aufgebrochen, reproduziert sich in der biologischen Zuordnung bereits die soziale Rolle. Die obengenannten Zuordnungen durchbrechen den gewaltätigen Rahmen nicht, sondern stabilisieren und verschleiern ihn nur. Es kann aber umgekehrt keinesfalls davon ausgegangen werden, das dieser gewalttätige Rahmen so einfach verlassen werden könnte. Die existierenden Nischen, in denen sich "dekonstruiert" wird, und welche sich immer entlang der zwei Pole "MannFrau" bewegen, haben weder ein Bewußtsein darüber entwickelt, daß mit dem Spiel mit den Geschlechterrollen Klisches weiter aufrecht erhalten werden, noch kratzt es das Herrschaftmodell "MannFrau" nennenswert an. Die Tobewiese ist gesellschaftlich irrelevant und bestenfalls als clownesker Partygag oder gepflegte Diskurse im Unizirkus nett anzuschauen, sofern sie keine praktischen Konsequenzen mit sich ziehen.
...und Struktur und Funktion von Militär
Mit der Herausbildung einer Identifikation mit dem Staat, dessen Diener der Mann werden sollte, waren auch die Grundlagen für eine Bereitschaft hergestellt worden, für die Nation einzutreten, für das Angriffs- und Verteidigungsinteresse einer Nation in Form des Militärs als Männlichkeitsmaschinerie. Die Voraussetzung dazu war die Kasernierung als Ort der Prägung patriarchaler Männlichkeit, logischerweise unter Ausschluss von Frauen. In der heutigen Zeit des "modernisierten" Patriarchats benötigt es biologischer Auschlußkritereien in dieser Form nicht - das heutige Militär ist der Anwesenheit von Frauen gewachsen, die Erkennungsmuster Rosa und Blau, was ist sozial ein Mann, was ist sozial eine Frau, bleiben trotzdem erhalten und sind nach wie vor zwingend notwendig. Dortige Funktionen können von einer biologischen Frau ausgekleidet werden- wenn sie Manns genug ist- ihren Mann steht. (In der Regel heißt das bekanntlich, besser zu sein als der Mann ). Auch nach dem Eintritt von Frauen liegt hier eine sexistische Struktur zugrunde, welche die Grundlage der Herausbildung patriarchal-männlicher Identität ist. Sexualisierte Angriffe gegen die neuen Soldatinnen sind darin kein Widerspruch. Wenn weibliche Soldaten in der Zukunft belästigt werden, vergewaltigt werden, wird dies als "Defekt" von Einzelnen interpretiert werden. Die Funktion des Militärs wird durch Frauen in der Armee nicht in Frage gestellt - das Patriarchat modernisiert sich lediglich und legitimiert die eigenen Institutionen aufgrund gesellschaftlicher Dynamiken und Anforderungen nur neu. So wie eine rassistische Regierung einerseits in Tod, Folter und Elend abschiebt und mit Greencard andererseits jene ins Land holt, die für den Standort Deutschland verwertbar sind, so werden mit einer Olivgreencard Frauen in eine Institution eingelassen, die als exklusiver Männerclub galt. Die einzige Bedingung: Funktionieren nach patriarchalen Prinzipien: Befehl und Gehorsam, Hierarchien und das Akzeptieren von Gewalt und Mord als Mittel von Konfliktlösung oder Durchsetzung von Machtinteressen Sind die Grenzen klar, lassen sich die Grenzübertritte und die Visabedingungen klären. Frauen sind nicht mehr nur Opfer, sondern werden durch "Inkorporation" von Machtverhältnissen zu Nutzniesserinnen und Teilhaberinnen patriarchaler Herrschaft. Es scheint "natürlich", daß eine Institution, die ihre Existenz mit der Bipolarität, der Hierarchie zwischen den zweigeschlechtlichen Polen begründet und darauf aufbauend agiert, ständig diese Bipolarität ausstrahlt und als "natürliche" Botschaft weitersendet. Frauen sind Frauen, Männer sind Männer, Flüchtlingsströme sind wieder Frauen (oder genauer: weiblich zugeordnet). Sexualisierte Gewalt war auch in diesem Krieg nur einer der Legitimationsgründe für das eigene kriegerische Eingreifen und wird nicht als das benannt, was sie ist, nämlich die am weitesten verbreitete Gewalt von Männern!
Und nun?
Wie können wir das Sendeprogramm unterbrechen, wie z.B. die geschlechtlichen Bezugspunkte außer Kraft setzten die für das Militär Ausgangsbasis sind, um eine Mobilisierung der Gesellschaft, einer High- Tech-Armee, oder auch einen stumpfen Fußtrupp von Soldaten in Bewegung setzen zu können? Zum Kosovokrieg formulierten wir: "Der Natokrieg produzierte zwar keine "Mann gegen Mann"-Bilder, die Darstellung der überlegenen Technologie gegen das "Barbarisch, wilde archaische" der zu "Befreienden" als auch der zu "Vernichtenden" ist längst die erweiterte Identifikationsmöglichkeit geworden für ein z.B. patriachal-männliches Interesse. Wir halten es für einen Trugschluß und einen gefährlichen politischen Fehler zu glauben, das Patriarchat löse sich auf, weil die Geschlechterrollen an einigen Orten durcheinander zu kommen scheinen. Sie kommen nicht oder weniger durcheinander, als es auf den ersten Blick aussieht. Eine falsche Analyse wird uns zu falschen Schlüssen bringen und die Kraft des patriarchalen Modernisierungschubes unterschätzen. Und auch wenn dieser Krieg keine Mobilisierung benötigt, die den "Mann gegen Mann"- Bildern entsprechen, oder verdächtig wenig "Hurra-Patriotismus" aufkommt, bedeutet das nicht, daß sie nicht trotzdem mobilisierbar sind. Die Computerspiele und Videotheken sind voll mit Mann- zu Mann- Kämpfern, und die Kids träumen noch immer davon, ein Held zu sein. Notfalls im Raumschiff im Kampf gegen Barbaren, fremde Zivilsationen oder technologische Überlegenheiten." Die aktuelle Darstellung der Elitesoldaten bestätigt die Abrufbarkeit der Bilder von männlichen Kampfmaschinen.
Kriegsvorbereitung ist ein sozialer Prozeß, in den viele Teile der Gesellschaft mitgenommen werden müssen und wir befinden uns inmitten einer großen Mobilmachung der Gesellschaft. Die biologischen Personen sind dann austauschbar, wenn das patriarchale Prinzip gewahrt bleibt. Das Projekt "Mann-Maschine"schafft neue Identifikationen, die den präzisen Eingriff als Allmachtsphantasie abfeiern. Die Kriegstechnologie der NATO ist männlich zugeordnet, weil sie stark, allmächtig und auf den Punkt genau zu treffen vermag, wie uns die Propaganda suggeriert.
Nicht die gepflegten Übergänge von A nach B und von Rot nach Blau oder umgekehrt sind zu organisieren, sondern ein Widerstand, welcher das Prinzip der Zweigeschlechtlichkeit als zentrales Fundament für patriarchale Herrschaft zu zerstören trachtet. Anders ausgedrückt: eine Antikriegsposition, die "nur" die ökonomischen, geopolitischen Interessen z.B. am Krieg analysiert, geht nicht die Fundamente des System an, das Militär in seiner Handlungsfähigkeit bedingt. In die Institution Militär ist die patriarchale Funktion Mann eingeschrieben. Nach wie vor ist das Patriarchat, aufbauend auf der sozialen Differenz zwischen den konstruierten Geschlechtern "Mann/Frau" auf die Bipoliarität angewiesen. Die biologische Differenz wird bemüht, um die soziale Hierachie von Kindesbeinen an aufzubauen. Sie wird mit Gewalt gegen die eventuellen Widerstände von Frauen wie Männer durchgesetzt. Die Wege der Durchsetzung sind gemäß der Anforderungen an "Frauen und Männer" unterschiedlich organisiert, also auch die Gewaltformen - das Ziel; die Aufrechterhaltung der zweigeschlechtlichen Ordnung bleibt gleich.
Es bedarf einer persönlichen Aufkündigung der Zugehörigkeit MannFrau und die Schaffung dissidenter Orte. Die dissidente Position sucht sich keine neue Heimat entlang heterosexistischer FrauMann-Normierung und zielt auch nicht auf die gesellschaftliche Anerkennung und Teilhabe am Kuchen, die gerne in Regierungsstühlen, korrupten NGO´s und Homoehen verenden. Eine dissidente Position will keinen neues Transexuellengesetz und auch keinen hippen Platz an der Transgendersonne, sondern ist disfunktional weil ort- und bezugslos. Ein wie auch immer geartetes Beziehen auf ein MannFrau-Konzept reproduziert sexualisierte Gewalt, stützt patriarchale Herrschaft und sabotiert nicht die patriarchale Logik von Militär und Krieg. Wir brauchen einen aggressiven Angriff auf die Grundfeste heterosexistischer Herrschaft, so daß sich im Widerstand lebbare Räume und Bündnisse neu entfalten können, die sich in dieser bipolaren Logik nicht haben entwickeln können.
für eine AntiPatriarchaleOrganisierung (APO), loser Diskussionszusammenhang Kontakt/Anfragen unter apo@bamm.de
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Einige VertreterInnen und viele GegnerInnen von Queer Theories sind sich darin einig, dass diese bisher keine zufriedenstellende Kritik kapitalistischer Verhältnisse bieten. Vielleicht zeigen sich hier die Folgen einer überkommenen disziplinären Arbeitsteilung. Deren Auflösung gehörte zwar schon zum Programm, als Anfang der neunziger Jahre in Nordamerika die ersten Einrichtungen der Queer-Studien gegründet wurden. Doch Untersuchungen über Sexualität waren und sind jenseits der Medizin vor allem in den Kultur- und Geisteswissenschaften zu Hause, und bis heute hat die Mehrzahl der QueertheoretikerInnen dort gelernt.
Doch die mangelnde Verknüpfung queerer mit ökonomiekritischen Überlegungen ist weder zwangsläufig noch akzeptabel. Wenn das queerpolitische Programm die Regulation von und mittels Sexualität ins Zentrum der Kritik stellt, dann muss neben der Heteronormativität und der wechselseitigen Artikulation von Rassismus und Heterosexualität auch das Verhältnis von Kapitalismus und Sexualität thematisiert werden.
Die Einschreibung queerer Perspektiven in die Ökonomie startet nicht am Nullpunkt. Im Feld der Queer-Theorie finden sich zum Beispiel Arbeiten, die unter dem Stichwort pink economy die kapitalistische Konstitution sexueller Minderheiten in den Blick nehmen. So hat der Glasgower Soziologe David Evans untersucht, wie die moralische Regulation durch den Staat zur Entstehung amoralischer Subkultur-Märkte führt, die die Sexualität ihrer Subjekte warenförmig organisieren.
Diese Märkte prägen nach Rosemary Hennessy, die in den USA Critical Cultural Studies lehrt, eine Konsumkultur, in der die kapitalistische und die Begehrensökonomie ineinander greifen. Doch es wäre zu kurz geschlossen, deshalb allein Schwulen und Lesben die kapitalistische Formierung ihrer Sexualität vorzuwerfen. Vielmehr muss die Verfasstheit sexueller Minderheiten als Symptom der jeweiligen Form kapitalistischer Vergesellschaftung gelesen werden. In der Konsequenz ergibt sich daraus die Frage nach der Formierung von Heterosexualität im Kapitalismus.
Heterosexuelle Existenzweisen hatten und haben im Kapitalismus vielfältige und historisch variable Formen. Sie lassen sich nicht allein im Klischee der Kernfamilie mit dem Vater als Lohnarbeiter und der Mutter und Hausfrau als Subsistenzproduzentin abbilden - und auch nicht im modernisierten Klischee der neoliberalen Entfamiliarisierung. Doch sind in der Vielfalt heterosexueller Modelle immer nur bestimmte privilegiert, wie - als Kehrseite der glücklichen Normalfamilie - das Beispiel allein erziehender schwarzer Frauen in den USA, die von Sozialhilfe leben, zeigt.
Die afro-amerikanische Politikwissenschaftlerin Cathy Cohen hat den Diskurs über die so genannten welfare mothers daraufhin untersucht, wie sich die rassistische Regulation in die Produktion von Heteronormativität einschreibt. Nun ist die ökonomische Privilegierung bestimmter Formen von Heterosexualität durch den Staat seit langem ein geläufiges Thema. Darüberhinaus interessiert aber, in welcher Weise diese Privilegierung der ökonomischen Rationalität von Unternehmen entspricht. Die klassische Antwort besteht in der Mitteilung, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sei ein Kernprinzip kapitalistischer Vergesellschaftung. Die Arbeitsteilung ist aber nicht bipolar, sondern auch entlang rassistischer und sexueller Grenzen hierarchisch strukturiert. Dadurch ist die gesellschaftliche Arbeitskraft in sich mehrfach different konstituiert und weist so unterschiedlich ausbeutbare Eigenschaften auf wie die Freundlichkeit des schwulen Verkäufers und die Rechtlosigkeit der illegal eingewanderten Putzfrau.
Aus den vielfältigen Formen heterosexueller Existenzweisen und Beziehungsformen sind ebenso unterschiedliche emanzipatorische Praxen entstanden. In einigen wird die Verschränkung von Ökonomie und Sexualität direkt thematisiert - etwa in den Kampagnen »Lohn für Hausarbeit«, mit denen Feministinnen seit den siebziger Jahren die unbezahlte emotionale und reproduktive Arbeit von Frauen skandalisieren. Doch in den meisten ökonomischen Kämpfen verschwindet Sexualität - und in gewissem Maß auch Geschlecht - hinter einer als natürlich gesetzten Anordnung.
Erst wenn diese Dimensionen jedoch mitgedacht werden, lassen sich das Potenzial und die Grenzen sozialer Kämpfe einschätzen. Einiges spricht für die These, dass heterosexuelle Männlichkeit in den klassischen Arbeitskämpfen eine zentrale Rolle spielt(e) und ihnen von vornherein eine Tendenz zum Ausschluss und zur Abwertung von Frauen genauso wie die Verwerfung von Homosexualität eingeschrieben war. Unter Frauen scheint die Abwertung von Prostituierten lange Zeit eine ähnlich normative Funktion erfüllt zu haben. Hier könnte auch ein Grund dafür liegen, dass Frauenstreiks die Forderungen der Hurenbewegung nach Anerkennung und sozialer Absicherung ihres Berufs so selten berücksichtigten.
Diese Abwertung erhält jedoch das heterosexuelle Liebesideal als ideologisches Fundament fast aller Beziehungsmodelle aufrecht und verschleiert damit die ökonomischen Aspekte trauter Zweisamkeit. Dieses Ideal dauerhafter heterosexueller Paarbeziehungen nimmt in der gesellschaftlichen Regulation eine zentrale Position ein. Das zeigt sich an seiner ökonomischen Privilegierung ebenso wie am heftigen Widerstand gegen alle Versuche seiner Modernisierung, selbst wenn diese so harmlos daherkommen wie die Homo-Ehe.
Der Kapitalismus bringt Heterosexualität nicht nur in spezifischen Formen hervor, sondern ist in allen von Judith Butler bezeichneten Aspekten selbst als heterosexuelle Matrix organisiert: hierarchische Anordnung der Geschlechter, Zwang zur kohärenten geschlechtlichen Selbstdefinition und -darstellung, Heterosexualisierung des Begehrens, das im Konsum vermarktet wird. Da Butler jedoch die Verknüpfung ihrer Theorie mit politisch-ökonomischen Überlegungen nicht leistet, wird die Matrix leicht auf ein Zuweisungssystem für differente kulturelle Positionen reduziert.
Verstehen wir aber Geschlechterverhältnisse und Sexualität als ein Feld, auf dem sich die ökonomische Regulierung des Lebens vollzieht, dann offenbart der queere Blick auf die heterosexuelle Matrix jene Mechanismen von Einschluss, Ausschluss und Verwerfung, von Entmächtigung und Ermächtigung, die Ausbeutungsverhältnisse etablieren und aufrecht erhalten. Oder anders gesagt: die Produktion von geschlechtlicher, rassistischer und sexueller Differenz ist Voraussetzung und Teil der Verteilung ungleicher Positionen im Gefüge gesellschaftlicher Produktionsformen.
Für das Projekt einer queeren Ökonomiekritik ist eine Auseinandersetzung über ihre wichtigsten Begriffe notwendig, beginnend mit dem Begriff Ökonomie. Die hermetische Strenge der marxistischen Konzeption ist bekannt, ihre Auslassungen wurden vielfach feministisch kritisiert und vor allem um ein anderes Verständnis von Produktion erweitert. Das Konzept der Begehrensökonomie, wie sie Gilles Deleuze und Félix Guattari kapitalismuskritisch gegen die Psychoanalyse und ihre Normalisierungstendenzen entworfen haben, versucht, das Zusammenspiel psychischer, geistiger, körperlicher und ökonomischer Mechanismen zu fassen.
Allerdings wurde feministische Ökonomiekritik in der Queer-Theorie nur zum Teil rezipiert. Und statt der poststrukturalistischen dominiert eine von Lacan strukturalistisch und sprachtheoretisch entwickelte Vorstellung von Begehrensökonomie, deren kapitalismusaffirmative Verwendung in der Queer-Theorie Hennessy mit Nachdruck kritisiert hat. Sinnvoll wäre jedoch ein Begehrensbegriff, der von Deleuze und Guattari ausgeht und Begehren als a-subjektiven Motor von Geschichtlichkeit und Gesellschaftlichkeit theoretisiert.
Als »sexuelle Arbeit« bezeichnen die Berliner Feministinnen Pauline Boudry, Brigitta Kuster und Renate Lorenz Produktion und Repräsentation eines kohärenten Geschlechts und einer bestimmten Sexualität, die Teil von Arbeitsprozessen sind. Mit diesem Begriff lässt sich die Diskriminierung von Transsexuellen und Transgender-Personen auf dem Arbeitsmarkt ebenso untersuchen wie die Privilegierung gewisser sexueller Ausdrucksstile in Subkultur-Ökonomien; das Lächeln einer Stewardess ebenso wie die heterosexistische Arbeitsanordnung in lateinamerikanischen Maquiladoras.
Die Herstellung und Darstellung geschlechtlicher und sexueller Kohärenz im Arbeitsprozess ist für Unternehmen funktional: Sie sichert eine hierarchische Anordnung der Arbeitskräfte, gehört aber bei Dienstleistungen auch zum verkauften Produkt. Zugleich trifft der Zwang, sexuelle Arbeit zu leisten, auf das Begehren des Subjekts, in einem kohärenten Geschlecht mit erzählbarer Sexualität zu existieren und wahrgenommen zu werden.
Das Aufdecken der Zusammenhänge zwischen Sexualität und Ökonomie macht diese politisierbar. Queer-Theorie kann also für antikapitalistische Politik einiges an Begriffen, Konzepten und Analysen bereitstellen. Zugleich wird sie ihrer Strategie, die Regulation von und mittels Sexualität zu untersuchen, nur gerecht, wenn sie die kapitalistische Formierung von Sexualität und ihre Einschreibung in die Ökonomie stärker als bisher untersucht. Widersprüche innerhalb queerer Communities treten zutage, und zugleich werden neue Koalitionen zwischen Marginalisierten möglich. Falls queer ein politisches Anliegen hat, dann dieses.
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von Anette Dietrich und Andrea Nachtigall
"Eine Frau wird nicht als Frau geboren, sondern dazu gemacht." (Simone de Beauvoir) Ein Schwarzer wird nicht als Schwarzer geboren, sondern zum "Neger" gemacht. Eine Türkin wird nicht als Türkin geboren, sondern zur Orientalin gemacht.
I. (Krieg)
In der Auseinandersetzung um die Anschläge auf das WTC
am 11. September haben sich die unterschiedlichen Positionen innerhalb der
Linken als unvereinbar gezeigt und stehen sich in ihren Analysen als gefestigte
Pole gegenüber. Dabei wurden unterschiedlichste Weltbilder der
AntiimperialistInnen/AnitamerikanistInnen, Antideutschen, WertkritikerInnen,
FriedensaktivistInnen usw. ausgepackt und nach dem jeweiligen Blickwinkel bzw.
unter dem jeweiligen ,Hauptwiderspruch' gegeneinander gestellt. Es gibt nur
wenige Versuche, diese unterschiedlichen Welten miteinander zu verbinden, um der
komplexen Situation gerecht zu werden.
Auf feministischer Seite gab es bislang nur wenige
sichtbare Versuche, sich an der Debatte zu beteiligen, bzw. muss der Einsatz für
Fraueninteressen und -Rechte mit einer Vereinnahmung von ‚offizieller' Seite
rechnen: Wurden im Jugoslawienkrieg Massenvergewaltigungen als moralische
Rechtfertigung für einen Kriegseinsatz benutzt, werden auch in Afghanistan die
von den radikalen Islamisten unterdrückten Frauen entdeckt, um den Krieg gegen
die Taliban weiter zu legitimieren und ihn als einen Kampf für Menschenrechte
und Demokratie darzustellen. All die Jahre vorher war die Situation der Frauen
unter dem Talibanregime und vorher der Nordallianz bekannt, doch schien damals
kein Handlungsbedarf zu bestehen.
Bislang hat sich ein
eher bürgerliches Spektrum an Frauen in der Öffentlichkeit zu den Anschlägen,
vor allem aber zum Krieg verhalten. (Wie z.B. das feministische Institut der
Heinrich Böll Stiftung oder die pazifistische Frauenaktion Sheherazade, die im
Golfkrieg entstanden ist.) Diesen Gruppen ging es vor allem darum, gegen den
Krieg zu demonstrieren und sich für die Rechte der Frauen in Afghanistan
einzusetzen. Wichtige Aspekte der Situation bleiben unter diesem Blickwinkel
jedoch ausgeblendet. Mit der Überschrift "Die Geschichte Afghanistans zeigt:
Reine Männerherrschaft deformiert eine Gesellschaft; Fundamentalismus lässt sich
nur besiegen, wenn die Frauen gestärkt werden", wird eine Wiederkehr eines
überholt geglaubten Feminismus reaktiviert. "Alles Ambivalente und Abweichende
geriet zur Bedrohung einer wackeligen, unreifen Männlichkeit, die sich nur über
Kampf und Krieg zu stabilisieren wusste. Männer, denen andere Männer Verstand
und Gefühle verschleiert haben, die um Leben, Lust und Glück betrogen wurden,
können zu Killern werden, Opfer und Täter zugleich. Bomben auf zwei Beinen,
jederzeit zur Explosion bereit." Einen weiteren ‚geschlechtsspezifischen'
Beitrag leistete Klaus Theweleit, der die Doppeltürme des WTC als Doppelphallus
(" der doppelte Schwanz, der sich als mächtiges Symbol erhebt") sieht und den
Anschlag als "Tritt in die Eier" bezeichnet. Es stellt sich hier die Frage, ob
und wie sich überhaupt noch dezidiert feministische Perspektiven formulieren
lassen, um einer komplexen Situation gerecht zu werden und nicht in binäre
Denkschemata zu verfallen. So hat sich aus der Geschichte der Frauenbewegung und
-forschung gezeigt, dass die Kategorie Geschlecht als alleiniger sozialer
Platzanweiser und Hauptanalysekategorie zu kurz greift.
Es bedarf keiner großen analytischen Leistung, um zu erkennen, wie polarisiert und vor allem stereotypisiert der Kriegsdiskurs geführt wird. Bei Forderungen z. B. nach einem Verbot islamistischer Vereine oder dem Ruf nach Verschärfung der inneren Sicherheit zum Schutz vor den frem-den ,Schläfern' oder der unkritischen Verteidigung westlicher moderner Werte kann man schon mal schnell ins Fahrwasser rassistischer Argumentationsmuster vom Kampf der zivilisierten Welt gegen die Barbarei geraten. Stereotype werden reproduziert, deren Konstruktionscharakter und pauschalen Zuschreibungen schon seit Jahren - hierzulande vor allem von MigrantInnen-Gruppen - als westliche Projektionsfläche aufgedeckt und kritisiert wurden.
Wie kann also mit den ,Lehren' des Feminismus, insbesondere die Rassismusvorwürfe an die weiße, bürgerliche Frauenbewegung, die mit ethnozentrischem Blick eigene Emanzipationsvorstellungen auf die ‚noch nicht so weiten' unterdrückten Frauen des Trikont projiziert haben, umgegangen werden? Ist die Kategorie Geschlecht als alleinige Analysekategorie nicht hinfällig geworden? Wie können die Errungenschaften differenztheoretischer oder dekonstruktivistischer Ansätze integriert werden, ohne sprachlos zu machen? Gibt es Positionen jenseits eines Pendelns zwischen paternalistischer Viktimisierung und rassistisch konnotierten Bildern der ,Orientalin' und kultur-relativistischen Positionen die letztendlich Handlungsunfähig machen? Können Forderung nach universellen Menschenrechten einen Ausweg aus dem Dilemma weisen? Diese Fragen sollen an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden, sie können z. B. Teil der Auseinandersetzungen in unserem Workshops sein. Anhand von Video-, Bild- und Textmaterial (ihr könnt gerne auch eigenes Material mitbringen!) wollen wir dort wechselnde Perspektiven anhand aktueller Ereignisse und Debatten diskutieren.
II. (Kopftuch)
Ein gutes Beispiel für diese - nicht neue - Problematik ist
die Kopftuchdebatte: In der seit Jahren in den unterschiedlichsten Kontexten
geführte Kontroverse lassen sich Grundzüge des Differenzdilemmas darstellen. Das
Kopftuch ist ein Symbol, das für gegensätzliche Positionen benutzt wird, und das
in der Auseinandersetzung um Terrorpakete und innere Sicherheit und dem Krieg in
Afghanistan, insbesondere in der Medienpräsenz der verschleierten Frau bzw. der
entschleierten und damit ,befreiten' Frau wieder aktuell geworden ist. Die
Zeitungen sind voll mit Bildern afghanischer ,unsichtbaren' Frauen, die es zu
befreien gilt. Doch welche Bilder werden bei uns selbst aktiviert, wenn unter
dem Ganzkörperschleier eine wunderschöne Orientalin hervorkommt?
Aus antirassistischer Perspektive kann das Kopftuch als
Möglichkeit des Widerstands gegen den Assimilationszwang in die deutsche weiße
Leitkultur interpretiert werden und damit als widerständige
Emanzipationsmöglichkeit. Terkessidis sieht das Kopftuch als "Schleier vor der
exotisierten Konsumierbarkeit der Anderen". Die schleiertragenden Migrantinnen
entziehen sich der Sichtbarkeit und erotischen Konnotation des westlichen
männlichen Blicks und repräsentieren das gefährliche Fremde, das nicht
integrierbar erscheint. Eine Integration, "die ihnen von der
Differenzkonsummaschine offeriert wird, also jene Enttraditionalisierung als
Sexualisierung des exotisierten Körpers" wird damit unterlaufen. Das Tragen
eines Kopftuches wird zu einem emanzipativen Akt, der nicht das Äußere der Frau,
sondern die Persönlichkeit betont. Die Migrantinnen besetzen das Symbol der
Fremdheit für sich positiv und fordern, so Terkessidis, selbstbewusst eine
Integration, indem sie z.B. eine Anstellung im Staatsdienst einfordern. Und
insofern - das zeigen auch die empört-aggressiven Reaktionen - lösen sie eine
"Krise der hegemonialen Repräsentation aus, wie sie gerade über die Massenmedien
vermittelt wird."
Das Kopftuch einzig als Gegenbild und
Provokation der deutschen Norm anzusehen ist zu kurz gegriffen, ist doch der
Schleier bzw. das Kopftuch nicht nur ein religiöses, sondern auch ein
politisches Symbol für eine bestimmte Form des Islams, in dem trotz eines
Entzugs des weiblichen Körpers gegen dessen Sexualisierung in der westlichen
Kultur eine extreme Ungleichheit der Geschlechter vorherrscht, in der z.B.
männliche Polygamie selbstverständlich ist, während Ehebruch von Frauen mit der
Todesstrafe geahndet wird. Nur der weibliche Körper wird verhüllt und damit
wieder markiert. So wird das Kopftuch einerseits als Zeichen der Unterdrückung,
als Bestandteil einer patriarchalen Auslegung des Koran und damit nach
Machtinteressen einer traditionellen Männergesellschaft ausgerichteten
Gesellschaft gesehen, andererseits repräsentiert es die "Kraft der
Unterdrückten", die sich gegen die repressive AusländerInnenpolitik Deutschlands
und die westliche Moderne abgrenzen und Gegenbilder schaffen. Inwieweit greift
hier der Vorwurf des Ethnozentrismus bzw. ist es legitim, westliche
Emanzipationsideale zu übertragen?
Im bundesdeutschen Kontext, der durch die Nichtwahrnehmung der BRD als Einwanderungsland gekennzeichnet ist, wurde ,die fremde Frau' durch die deutsche Frauenbewegung als defizitäres Wesen gegenüber dem eigenen Selbst konstruiert. Die ,fremde Frau' entsteht nach einem bipolaren Prinzip scheinbar faktischer Differenz, also in Abgrenzung zur vertrauten, modernen, emanzipier-ten, westlichen Frau, die genauso eine Konstruktion ist (z.B. im Bild der ,unterdrückten Türkin', der sozialarbeiterisch geholfen werden mußte). Symbolisch steht hierfür bis heute das Kopftuch.
III. (Differenz und Konstruktion
des Anderen)
In aktuellen feministischen und
postkolonialen Theorien wird der Ort der Differenz genutzt, um gegen
gesellschaftliche Diskriminierung und Fremdrepräsentation vorzugehen. Der Ort
der Diffe-renz wird zum Widerstandspotential gegen eine Einverleibung in die
hegemoniale Kultur. Seit etwa Mitte der 80er Jahre wurde ein Differenzansatz
vermehrt im Zusammenhang von kultureller und sexueller Identität als politische
Alternative zu bisherigen Gleichheitsforderungen diskutiert. Differenz - so z.B.
zwischen den Geschlechtern, zwischen Kulturen oder ,Rassen' - war jedoch meist
eine konservativ besetzte Kategorie, mittels derer ungleiche Verteilung
gesellschaftlicher Machtpositionen und Ressourcen legitimiert werden konnte. Der
politische Umgang mit Differenz ist demnach oft repressiv, weil sie als ein
Abweichen von einer Norm gilt. Die Konstruktion des gesellschaftlich Anderen
kann Ungleichbehandlung und Diskriminierung legitimieren, denn diese
Konstruktion wird oftmals als ,Negativfolie' benutzt. Von daher besteht eine
Affinität der Differenz zu kulturalistischem Rassismus der Neuen Rechten, der
biologistische Vorstellungen von unterschiedlichen ,Rassen' abgelöst hat. Dieses
Paradoxon wird als Differenzdilemma bezeichnet: Es äußert sich darin, dass ein
Gleichheit-sprinzip immer wieder Ausschlüsse produziert, weil bestehende
unterschiedliche Lebensumstände und Erfahrungen nicht beachtet oder
ausgeschlossen werden; auf der anderen Seite bergen Differenzansätze die Gefahr,
bestehende Unterschiede zu zementieren und legitimieren. Diese Schwierigkeit im
Umgang mit Differenzen zeigt sich ebenfalls in der Auseinandersetzung um
Identitätspolitik, wie sie seit Anfang der 90er Jahre vermehrt geführt wird. Für
identitäre Bewegungen - wie z. B. die Frauenbewegung - wurde die eigene
Identität zunächst als Bedingung für eine Emanzipation gesehen; problematisiert
wurde der bisherige Identitätsdiskurs im Hinblick auf die Effekte essentieller,
d.h. wesenhafter Identitätsvorstellungen, weil durch diese festen,
quasi-natürlichen Kategorie Ausschluss- und Herrschaftsmechanismen reproduziert
wurden. Differenzen wurden in der Vorstellung dieser Einheitlichkeit (von
Identitätskategorien, vom Subjekt etc.) ausgeblendet, denn "identity is
constructed relationally through difference from the other; identification with
a group based on gender, race, or sexuality, for example, depends mostly on
binary systems of ,us' versus ,them', where difference from the other defines
the group to which one belongs." Das als gesellschaftlich Andere gesetzte (die
Frau, der/die AusländerIn etc.) ist Teil der hierarchisierten binären
Oppositionspaare der westlichen Kulturtradition.
Seit dem sogenannten "linguistic turn" in den Sozial- und Geisteswissenschaften spielen sprachtheoretische Ansätze wie der Poststrukturalismus eine wichtige Rolle. Gesellschaftliche (Herrschafts-) Strukturen werden darin aus linguistischen Strukturen abgeleitet und als Strukturphänomene betrachtet. In der feministischen Theorie brachten poststrukturalistische Theorien das ,Werkzeug', um die westliche Metaphysik mit den darin implizierten Herrschaftsstrukturen zu kritisieren. Darunter fallen hierarchiebesetzte Oppositionen, die das gesamte abendländische Denken durchziehen, wie z.B. das Geschlechterverhältnis. Zentral ist das darin implizierte Differenzdenken und die Ausgrenzung der/s als AndereN gesetzteN. Mit diesem identitätslogischen Denken verbunden ist ein totalisierender Universalismus, der vereinheitlicht und kategorisiert, indem er zuordnet. In diesem sprachtheoretischen Rahmen lässt sich eine Kritik an der Identitätslogik in der westlichen Kulturgeschichte und der damit verknüpfte Umgang mit Differenz als gesellschaftsimmanente strukturelle Unterdrückungs- und Ausschlussmechanismen begreifen. Diese Kulturtradition ist geprägt von polarisierenden Dualismen von Begrifflichkeiten wie Körper/ Geist, Mann/ Frau, Kultur/ Natur etc., die zugleich eine Hierarchisierung beinhalten und damit in ein Macht- und Beherrschungssystem eingebettet sind bzw. es pro-duzieren. Eine Zweiteilung in eindeutige Dichotomien verursacht künstliche Trennungen und verschleiert die Vereinnahmung von Uneindeutigkeit. Die Kritik an der Vorstellung einer Einheitlichkeit von Subjektivität geht demnach einher mit der Kritik einer universalen Kategorienbildung im Namen des Feminismus und den damit verbundenen Repräsentationen. Die Kategorien, mittels derer Identitätspolitik im Namen der Frau, der Lesbe etc. betrieben wird, schließen gleichzeitig bestimmte Merkmale ein und Widersprüche aus. Die Setzung und Ausgrenzung des Anderen dient so vor allem der Konstruktion und Absicherung des Selbst.
Über die Illusion, das Eigene bzw. das Andere vollständig erfassen und repräsentieren und Identi-täten ausdeuten zu können, schreibt Judith Butler in kritischer Auseinandersetzung mit bisheriger feministischer Identitätspolitik: "Auch die Theorien feministischer Identität, die eine Reihe von Prädikaten wie Farbe, Sexualität, Ethnie, Klasse und Gesundheit ausarbeiten, setzen ein verlegenes ,usw.' an das Ende ihrer Liste. Durch die horizontale Aufzählung der Adjektive bemühen sich die-se Positionen, ein situiertes Subjekt zu umfassen; doch gelingt es ihnen niemals, vollständig zu sein. Dieses Scheitern ist aber äußerst lehrreich, denn es stellt sich die Frage, welcher politischer Impetus aus dem ,usw.' abzuleiten ist, das so oft am Ende dieser Zeilen auftaucht. Tatsächlich ist es ebenso ein Zeichen der Erschöpfung wie ein Zeichen für den unbegrenzbaren Bezeichnungsprozeß selbst. Eine Repräsentation ist damit nicht mehr ein passiver Ausdruck von etwas, das bereits besteht, sondern wird selbst zu einer sozialen Praktik, die aktiv an der Herstellung des von ihr Repräsentierten beteiligt ist.
Poststrukturalistische Theorien wurden sehr widersprüchlich diskutiert, verbunden mit Ängsten, dass handlungsfähige Subjekte in Frage gestellt würden und kein Handeln mehr möglich wäre. Viele stellten sich die Frage, warum ausgerechnet jetzt, wo Frauen und Schwarze beginnen, sich den Subjektstatus und einen gesellschaftlichen Sprechort zu erkämpfen, das Subjekt ,abgeschafft' würde. Andererseits sehen auch Skeptikerinnen, dass poststrukturalistische Theorien geholfen haben, einengende Identitätskonzepte, verbunden mit ihren Ein- und Ausschließungsmechanismen in Frage zu stellen, die nach bell hooks rassistische Strukturen durch die Bezugnahme auf Essentialismen fortgeschrieben haben. Sie fordert ein postmodernes, antiessentialistisches Schwarz-Sein, denn erst das stellt Rassismus grundsätzlich in Frage. Die Handlungsfähigkeit des Subjekts wird somit nicht verunmöglicht, sondern sie liegt nach Butler gerade darin, das Subjekt als durch Macht und Diskurse bzw. durch das sprachliches System gebildet zu betrachten, es mit in die Kritik einzubeziehen und nicht als autonom außerhalb der Macht zu vermuten. Handlungsfähigkeit heißt dabei Umdeutung und somit auch Eingreifen in herrschende Diskurse. "Diese Verwicklung der kritischen Begriffe in das Feld der Macht beinhaltet nicht die Heraufkunft eines nihilistischen Relativismus, der unfähig ist, Normen bereit zu stellen, sondern sie ist gerade die Vorbedingung für eine politisch engagierte Kritik. Denn einen Nor-menkomplex aufzustellen, der sich jenseits der Macht oder Stärke ansiedelt, stellt selbst eine machtvolle, starke begriffliche Praxis dar, die ihr eigenes Machtspiel durch den Rückgriff auf Tropen der normativen Universalität sublimiert, verschleiert und zugleich ausdehnt. (...) Die Aufgabe besteht eher darin zu fragen, was durch den theoretischen Schritt, Grundlagen festzulegen, autori-siert und was ausgeschlossen oder verworfen wird."
IV. (Rückblick in feministische Theorie und
Praxis)
Um deutlich zu machen, wie wichtig es ist,
den Identitäts- und Differenzbegriff in seiner Entstehungsgeschichte und im
Kontext von Unterdrückung, Macht und Widerstand zu betrachten, anstatt ihn
sozusagen als eine ,natürliche' Erscheinung zu sehen, sollen an dieser Stelle
die verschiedenen Positionen und Diskussionen der Zweiten Frauenbewegung und der
daraus hervorgegangenen Frauenforschung nachgezeichnet werden, in deren Verlauf
erst einige der genannten Probleme deutlich wurden.
Der Streit um Differenz und Gleichheit ist eine zentrale Debatte, die sich seit langem und noch immer in den unterschiedlichsten Facetten durch die feministische Theorie zieht. Die Anfänge der Zweiten Frauenbewegung Ende der 60er Jahre waren in die außerparlamentarische Opposition eingebunden. Geknüpft war daran eine stark marxistische Ausrichtung und der Bezug auf Simone de Beauvoir und der darin implizierten Gleichheits- und Gleichberechtigungsforderungen. "Seit Simone de Beauvoir ist es zumindest im modernen Westen unbestritten, dass Frauen das Andere gegenüber dem Selbst von Männern gewesen sind. Der Feminismus war eine Bewegung, der es darum ging, Frauen dabei zu unterstützen, Selbst und Subjekte anstelle von Objekten und Anderen der Männer zu werden." Umgesetzt werden sollte dies mittels Frauenförderplänen und Quotenregelungen. Kritisiert wurde am Gleichheitsdiskurs jedoch, dass darin das Bild einer defizitären Frau stecke, die ihre ,Rückständigkeit' zum Mann als Maß aller Dinge aufholen solle; dieses defizitäre Frauenbild findet sich bei Simone de Beauvoir in der von ihr idealisierten, als männlich konnotierten Transzendenz - im Gegensatz zur weiblich besetzten Immanenz - als zu erreichendes Emanzipationsziel für die Frau. Um sich von diesem Frauenbild abzugrenzen wurde von Differenzfeministinnen gefordert, das ,Weibliche' als positiven Gegenentwurf zur patriarchal ausgerichteten Gesellschaft zu setzen. Der Bezug auf die Frau sollte ein positiver Gegenentwurf für eine Gesellschaftsutopie sein: Ziel einer emanzipatorischen feministischen Politik sollte fortan nicht mehr eine Angleichung an das ,männliche' System sein, das mit Krieg, Ausbeutung und Entfremdung verbunden wurde, sondern das Betonen sog. ,weiblicher' Qualitäten wie Fürsorge, Friedfertigkeit, Nähe zur Natur . Zentrale Forderung eines Differenzfeminismus war der Aufbau eines Frauennetzwerkes, um patriarchalen Strukturen etwas entgegenzusetzen. Die daran geknüpfte Patriarchatsforschung z.B. sollte die bisher ausgeschlossene und abgewertete Geschichte und Erfahrungen der Frauen sichtbar machen: "Wir betonten die Differenz der Geschlechter, um uns sichtbar und hörbar zu machen. Die politisch-soziale Identität, welche die Frauenbewegung und der Feminismus schuf, stützte unsere persönliche Identitätsentwicklung als Frauen; sie förderten die Suche nach einer ,authentischen weiblichen Identität'". Der Bezug auf eine natürliche, essentielle Weiblichkeit wurde wiederum seitens Vertreterinnen eines Gleichheitsfeminismus als konservativ kritisiert, würde damit die Andersartigkeit der Frau und so ihre Inferiorität fortgeschrieben. Gemeinsam war beiden Positionen jedoch die Auseinandersetzung mit der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, unterschiedlich waren die Folgerungen für eine feministische Politik und Praxis. Stand bei den Gleichheitsfeministinnen eine Integration in die bestehenden männerdominierten gesellschaftlich - politischen Strukturen mittels einer Gleichstellungspolitik im Vordergrund, setzten Differenzfeministinnen auf separatistische Politikformen. Gemeinsamer Ausgangspunkt war der Bezug auf die sog. sisterhood, die vermeintlich gemeinsa-me Erfahrung aller Frauen einer patriarchalen Unterdrückung. Diese Erfahrung, das Leben im Patriarchat, wurde als zentraler Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismus betrachtet und als universeller Erfahrungshorizont aller Frauen angenommen. Insofern sollte als politische Praxis der Zusammenschluss und die Solidarität aller Frauen bewirken, die bestehenden patriarchalen Strukturen zu zerschlagen. Diese beschworene sisterhood läutete eine Identitätspolitik im Namen aller Frauen ein.
Die Reduktion der feministischen Debatte auf die Unterdrückung durch patriarchale Strukturen provozierte eine massive Kritik seitens Schwarzer Frauen (schwarz ist hier als politischer Terminus zur Kennzeichnung der Minderheitenposition und nicht der Hautfarbe verwendet worden) bzw. women of colour, Migrantinnen und lesbischer Frauen, die sich durch diesen Feminismus nicht repräsentiert fühlten. Sie kritisierten an der Frauenbewegung eine rassistische und heterosexistische Grundtendenz und sahen sie als Interessensvertretung der weißen westlichen Mittelschichtsfrau. "As Third World women we clearly have a different relationship to racism than white women, but all of us are born into an environment where racism exists. Racism affects all of our lives, but it is only white women who can 'afford' to remain oblivious to these effects. The rest of us have had it breathing or bleeding down our necks." Das Frauenbild, das die weiße Frauenbewegung geschaffen hatte, der Bezug auf die Frau als scheinbar einzige zentrale Kategorie wurde als ethnozentristisch und ahistorisch kritisiert. Ignorant gegenüber anderen Strukturmerkmalen wie z.B. Klasse, ,Rasse'/Ethnie, Religion wurden diese universalistischen Tendenzen als ein Versuch gesehen, "nicht-westliche Kulturen zu kolonisieren und zu vereinnahmen, indem ausgesprochen westliche Konzepte von Unterdrückung vertreten wurden. Diese Konzepte tendierten gleichzeitig dazu, eine ,Dritte Welt' oder einen ,Orient' zu konstruieren, wobei Geschlechter-Unterdrückung subtil als symptomatisch für eine essentielle nicht-westliche Barbarei erklärt wurde."
Die Konstruktion dieses gynozentrischen und ethnozentrischen Frauenbildes wurde als Ausdruck der hegemonialen Definitionsmacht weißer Frauen betrachtet. Die westliche weiße Sicht auf die Schwarze ,Schwester' als Opfer der Verhältnisse wurde als paternalistisch empfunden, diskutiert wurde die Mitverantwortung weißer Frauen an rassistischen Gesellschaftsmustern. Ein rein positiver Bezug auf Frauen blendet aus, dass Frauen selbst in gesellschaftliche Macht- und Ausbeutungsverhältnisse verstrickt sind, Täterinnen sein können und von bestehenden Verhältnissen profitieren. Rassistische oder heterosexistische Unterdrückung war für viele Frauen relevanter als die universelle Patriarchatsthese, und eine Bündnispolitik mit weißen, heterosexuellen Frauen stellte einen erneuten Kolonisierungsversuch dar. Insofern wehrten sie sich gegen die Vereinnahmung: "Although we are feminists and lesbians, we feel solidarity with progressive Black men and do not advocate the fractionalization that white women who are separatists demand. (...) We struggle together with Black men against racism, while we also struggle with Black men about sexism." So bedeutete jegliche Bündnispolitik ein neuer Kampf um Anerkennung, weil weder die Befrei-ungs- und Bürgerrechtsbewegungen der Schwarzen, noch die - von weißen Frauen dominierte - Frauenbewegung den komplexen gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnissen gerecht wurden und ihre spezifischen Existenzbedingungen ernsthaft zur Kenntnis nahmen. "Innerhalb der oppositionellen Bewegungen war jeweils eine bestimmte ,Hierarchie der Unterdrückungsverhältnisse' etabliert worden, die als Ausgangspunkt für die Entwicklung politischer Konzepte und Strategien diente. Zugespitzt formuliert: die Linke hatte den Kapitalismus, die Black-Power-Bewegung den Rassismus und die Frauenbewegung den Sexismus bzw. das Patriarchat zum ,Hauptfeind' erklärt." . Die bestehende Vielschichtigkeit der Erfahrungen wurde in der Identitätspolitik der 70/80er Jahre kaum gesehen. Problematisch war die Eindimensionalität und Ausschließlichkeit, in der Unterdrückung begriffen wurde. Denn Frausein, so wurde deutlich, bringt keine feststehende Bedeutung und Lebenspraxis mit sich, sondern bedeutet in jedem Kontext eine andere gesellschaftliche, historische und soziale Einbindung.
Inzwischen hat sich die Aufmerksamkeit für Differenzen
in der feministischen Debatte durchgesetzt. Der Blick liegt nun nicht mehr
ausschließlich auf den Differenzen zwischen den Geschlechtern, sondern hat sich
verschoben auf die Differenzen innerhalb der Kategorie ,Frau'. Die Universalität
der Kategorie ,Frau' wurde in Frage gestellt; deutlich wurde in den
Auseinanderset-zungen über Ausschlussmechanismen innerhalb der Frauenbewegung,
dass die Frau nicht allein aus der Kategorie ,Geschlecht' besteht, sondern aus
den unterschiedlichsten, auch widersprüchli-chen Anteilen. "But the category
,women' includes within it a variety of other social positions including
black/white, lesbian/heterosexual and disabled/ablebodied. Therefore feminist
research must involve challenging rassism(s), heterosexism(s) and the bias
toward woman who are able-bodied and so on, as well as sexism(s). Any individual
woman may be the subject of multiple, perhaps contradictory, positions in wider
society. Consequently, identity - including feminist identity - is propably best
discribed as plural, fragmented and with a propensity to shift contextually and
over time." Es wurde deutlich, dass in dem Repräsentationsmodell feministischer
Politik und in der Kategorie ,Frau' an sich Macht- und Ausschlussmechanismen
wirksam werden und dass diese eine Fortsetzung kolonialer bzw. rassistischer und
heterosexistischer Diskurse bedeuten.
"Der Kampf um
Definitionsmacht, der Kampf um ,Identität' hat damit eine Seite der
Substantialisierung, der potentiellen Totalisierung: Etwas ,ist' (weiblich), ist
,anders' (als männlich), ist ,so' (im Versuch der eindeutigen Bestimmung) und
damit ,nicht anders'. ,Identität' zielt in ihrer Zuspitzung auf Ausschluß,
Leugnung, Abspaltung oder Projektion der Differenz - ob in Bezug auf das
,Selbst', oder in Bezug auf das ,Andere', die/den ,Anderen'." Schon im Gedanken
der Repräsentation, das heißt auch einer Identitätspolitik für Frauen, steckt
ein normatives Moment, denn darin reproduzieren sich Ein- und Ausschlüsse. Die
Kritik an diesen Ausschlussmechanismen, die in Form von Vereinheitlichung und
Normierung in die Diskurse um Identität und Identitätspolitik eingelassen sind,
werden durch das Aufkommen und Aufgreifen poststrukturalistischer Theorien
ausgeweitet. "In this respect, black and lesbian women are closely aligned with
advocates of feminist poststructuralism who argue strongly that the category
'woman' must itself be deconstructed."
V. (Zusammenfassung/Ausblick)
Rassismus und Sexismus besitzen einige Analogien in der
Herstellung der Kategorien ,Rasse' und ,Geschlecht' und Gemeinsamkeiten in der
Legitimation, es gibt aber auch einige Unterschiede. Im Gegensatz zu ethnischen
und kulturellen Gruppen können Frauen z.B. nicht als eine natürliche ,kulturelle
Gemeinschaft' dargestellt werden. Bei ersteren geht es vielmehr um die
kollektiven Unterschiede zwischen Gruppen, darum können auch innerhalb der
,kulturellen Gemeinschaften' jeweils wieder die Geschlechterunterschiede betont
werden. Hauptsächlich angestoßen durch die Kritik Schwarzer Frauen, Jüdischer
Frauen, Migrantinnen und Women of Colour wurde - in Deutschland erst Ende der
80er/Anf. der 90er Jahre - die Kategorie ,Rasse'/Ethnizität in die Analyse
miteinbezogen, aber meist in der Form eines additiven Nebeneinanders. Inzwischen
geht es vielmehr darum, die Unterdrückungs- und Konstruktionsmechanismen in
ihren Überschneidungen, Überlappungen, Ergänzungen und gegenseitigen
Verstärkungen etc. zum Thema zu machen. Eine analoge oder additive Vorstellung
von Geschlecht und Ethnizität kann gerade das konfigurative Zusammenwirken
beider z. B. in gesellschaftlichen Arbeitsteilungen oder
Herrschaftsverhältnissen nicht erfassen. Außerdem wird diese Annahme einer
Vorstellung von fragmentierten und dezentrierten Subjekten nicht gerecht, deren
persönliche Identität sich innerhalb sozialer, zeitlicher und historischer
Kontext bildet, also aus verschiedenen Teilen zusammensetzt: so können einzelne
Elemente der Geschlechtsrollen, des ethnischen Hintergrunds oder ande-rer
sozialer Faktoren usw. ausgewählt, kombiniert, hervorgehoben oder aber vermieden
werden; es können sich Brüche aber auch neue kulturelle ,Mischformen' (auch
,GrenzgängerInnen' oder ,Hybride') ergeben.
Um Menschen wegen ihrer geschlechtlichen oder ethnischen oder ,rassischen' Gruppenzugehörigkeit zu marginalisieren, zu unterdrücken oder gar auszurotten, werden und wurden oft auch noch andere Legitimationskonstrukte verwendet. Oft ergänzten sich, wie im Falle des europäischen An-tisemitismus, christliche, kulturalistische, nationalistische, sexistische und rassistische Legitimationen. Der ,neue Rassismus', auch Neorassismus definiert sich heute eher über Kulturunterschiede, als über die Feststellung der Existenz von biologischen ,Rassen'. Der wichtigste Unterschied zwischen dem ,neuen' und dem ,alten' Rassismus ist der, dass keine höherstehenden ,Menschenrassen' mehr konstruiert werden, sondern dass man davon ausgeht, dass Menschen aus anderen Kulturen sich von uns unterscheiden, eben ,anders' sind. Diesen neuen Rassismus nennt Etienne Balibar "racisme differentialiste", weil er von der Unterschiedlichkeit und Unveränderlichkeit von Kulturen ausgeht, von einem unveränderlichen und unverrückbaren Bestimmt-Sein der Menschen durch ihren Ursprung. Dabei wird ein deutlicher Unterschied gemacht zwischen ,unserem' westlichen Lebensstil und dem Lebensstil der ,Anderen'. Unser Lebensstil, die aufgeklärte Kultur des westlichen Abendlandes, zeichnet sich angeblich durch ihre Individualität und Rationalität aus. Dagegen wird am Lebensstil der Fremden vor allem deren kollektive Organisationsform betont.
Wie die Kritiken gezeigt haben, hat sich auch die Position deutscher Feministinnen durch Abgrenzung von der ,fremden' Frau, die noch nicht so emanzipiert ist, definiert und gestärkt. "Die Ausländerin als die ,Andere' wird im Verhältnis zum herrschenden ,Selbst' in der Abgrenzung zu diesem konstituiert bzw. konstruiert. Als Differentes gesetzt wird es entweder im Namen des herrschenden Selbst vereinnahmt, d.h. als Projektions- bzw. Spiegelbild des Selbst geschaffen, oder als das Andere in Beziehung zum Selbst festgeschrieben. Beide Alternativen bieten dem herrschenden Selbst die Verfügung und die Definition über das Andere, über das angeblich Differente an." Der Objekt-Status der Schwarzen Frau und Migrantin im Feminismus wurde gleichzeitig durch die Nichtwahrnehmung durch die deutsche Frauenbewegung festgeschrieben. Ihre Unsichtbarmachung führte nicht nur zu einer ahistorischen Kategorie ,Frau', sondern auch zu einer Dekontex-tualisierung des Geschlechterverhältnisses. Für die Thematisierung von Rassismus waren und sind meist MigrantInnen zuständig, das Thema bleibt ein "Sonderfall" innerhalb feministischer Forschung. Publikationen, die explizit die Verschränkungen von Sexismus und Rassismus zum The-ma machen, erschienen meist unter einem entsprechenden, dieses spezielle Thema hervorhebenden Titel.
Heute wird ,Andersheit' meist positiv gewendet und
hervorgehoben. Die Anerkennung und Toleranz ,der anderen Kultur' steht im
Vordergrund, wie z.B. im Konzept des Multikulturalismus. Jedoch bietet ein
Beharren auf ,kulturellen Unterschieden', ob nun positiv oder negativ besetzt,
kaum Möglichkeiten zur Überwindung kultureller oder ethnisch bestimmter
Kategorien und Stereotypen, mit denen soziale Gruppen beschrieben und
Diskriminierungen legitimiert werden können. Ebenso können sich aus Erfahrungen
von Ausgrenzung und Diskriminierung ethnische Bewegungen quasi als Reaktion
ergeben, in denen die Berufung auf die eigene Herkunftsnation oder Kultur eine
zentrale Rolle spielt. Wichtig ist hierbei, den Kontext zu berücksichtigen: wer
spricht von wo aus und zu welchem Zweck. Es ist z.B. zu unterscheiden, ob es
sich um einen bewußt ein-gesetzten ,Essentialismus' marginalisierter Gruppen im
Sinne einer strategischen Identitätspolitik, oder um essentialistische Aussagen
und Zuschreibungen von herrschenden Positionen aus handelt.
Analysen, die versuchen der Frage der kulturellen Differenz
durch Anerkennung gerecht zu werden, bleiben oft in kulturalistischen
Interpretationsmustern stecken. Vor allem bleibt zu beachten, dass das Konzept
des Multikulturalismus - trotz aller ,Anerkennung' verschiedener Kulturen - zwar
Gleichheit impliziert, jedoch die politischen und rechtlichen Grundlagen für
Gleichheit, bspw. gleiche Zugangsrechte zu sozialen Ressourcen und Leistungen,
in Deutschland bisher fehlen.
Feminismus muss wieder
verstärkt in Bezug zum ,Außerhalb' gedacht werden, weg von einer in-ternen
Feminismusdebatte hin zu den ,externen', diskursiven und sozialen Kontexten.
Differenzen existieren nicht im luftleeren Raum, sie bezeichnen strukturelle
(Macht-) Verhältnisse. Es gilt die eigenen Verwobenheiten der eingenommenen
Perspektiven und formulierten Aussagen innerhalb eines übergeordneten,
sozialen/ökonomischen, historischen und zeitlichen Raums zu betrachten und die
Verflechtungen von Ethnisierungs- und Vergeschlechtlichungsprozessen
anzuerkennen.
1. artikel | 2. artikel | 3. artikel |
1. artikel:
http://de.indymedia.org/2002/01/14134.html
2. artikel:
http://de.indymedia.org/2002/01/14482.html
3. artikel:
http://etuxx.de/diskussionen/foo114.php3